2052. Der neue Bericht an den Club of Rome (German Edition)
schrittweise, aber stetig. Selbstverständlich brauchen auch Eltern aus städtischem Milieu jemanden, der sie im Alter versorgt, aber mehr und mehr wird dafür ein Kind als ausreichend angesehen, zusammen mit einer staatlichen Rente. Zudem wird man eher auf ein gut ausgebildetes Kind setzen als auf mehrere Kinder ohne Ausbildung. Künstlich hervorgerufene Entwicklungen – wie der Knabenüberschuss im heutigen China nach Jahrzehnten der Ein-Kind-Politik in Verbindung mit der anschließenden Selektion gegen Mädchen oder die zunehmende Abneigung von Frauen gegen das Heiraten in Gesellschaften, wo Frauen der Tradition entsprechend die Schwiegereltern versorgen, – werden den Trend verstärken. Es kann auch zu spektakulären Einbrüchen kommen wie in Libyen zwischen 1990 und 2010, als die durchschnittliche Kinderzahl von sieben auf zwei fiel. Im Allgemeinen sprechen wir aber von einer allmählichen Abnahme der Fertilität, wie in Abbildung 4–1 die sinkende rohe Geburtenziffer zeigt (also die jährliche Zahl an Geburten im Verhältnis zur Bevölkerung desselben Jahres). 2
Manche pronatalistische Regierungen werden den Rückgang aufzuhalten versuchen. Wenn sie es sich leisten können, stellen sie preiswerte Vorschulangebote bereit, um Müttern und Vätern Berufstätigkeit in der formalen Wirtschaft zu ermöglichen. Dies wird aber nicht die vorherrschende Vorgehensweise sein, weil es den meisten Regierungen nicht gelingen wird, von ihren Bürgerinnen und Bürgern die nötigen Steuern für die Unterstützung der Kinderbetreuung einzutreiben. Unter diesen Bedingungen ist es für die Regierung einfacher und billiger, jungen Paaren aus urbanen Milieus bei der Planung kleinerer Familien zu helfen. Auch einige Weltreligionen werden natürlich weiterhin gegen die »westliche hedonistische Konzentration auf Selbstverwirklichung« anstatt auf Kinder zu Felde ziehen. Meiner Meinung nach werden aber die negativen praktischen Erfahrungen in einem übervölkerten urbanen Umfeld stärker sein als alte religiöse Dogmen, die zu einer Zeit entstanden, als die Menschheit noch winzig klein war und in wilder, weiter Natur mühsam das Land bestellte.
Die Bevölkerung wird ihren Höchststand zuerst in der reichen Welt erreichen, wo größere Populationen wie die in Deutschland ohne die Einwanderung schon heute abnehmen würden. Dies tritt um das Jahr 2015 ein. Als Nächstes wird dann, kurz nach 2020, der Höchststand in China erreicht, wo man gerade die Früchte von Dengs Ein-Kind-Politik erntet. Russlands Bevölkerung nimmt bereits ab, obwohl die Regierung den Trend umzukehren versucht. Die Geburtenziffer in Italien ist unter den niedrigsten der Welt trotz Papst und italienischer Macho-Kultur. Andere Schwellenländer werden es der OECD und China gleichtun. Unter den Schlusslichtern finden sich Indien und das Afrika südlich der Sahara. Insgesamt aber wird die Weltbevölkerung ihren Höchststand überschreiten und zwar erheblich früher als von den meisten erwartet. 2052 wird sie bereits wieder zurückgehen.
Die Erwerbsbevölkerung wird ihren Höchststand etwas früher erreichen
Da ich zur jährlichen Produktion von Gütern und Dienstleistungen (das heißt zum zukünftigen BIP) eine Prognose erstellen will, interessiert mich vor allem der Teil der Weltbevölkerung, der tatsächlich arbeitsfähig ist. Ich definiere diese Gruppe als die Zahl der Menschen im Alter von 15 bis 65 Jahren. Abbildung 4–2 zeigt die historische Entwicklung dieser Gruppe. In allen Regionen ist sie seit 1970 angewachsen.
Diese Gruppe der 15- bis 65-Jährigen ist also die potenzielle Erwerbsbevölkerung – die Gesamtzahl der Menschen, die arbeiten könnten, wenn die Bedingungen stimmten. Die tatsächliche Erwerbsbevölkerung ist kleiner als die potenzielle, häufig erheblich kleiner. Historisch gesehen rührt die Differenz zum einen daher, dass Frauen traditionsgemäß nicht an der formalen Wirtschaft teilhatten, zum andern aus der Tatsache, dass viele der 15- bis 65-Jährigen arbeitslos, krank oder erwerbsunfähig waren oder aus irgendeinem anderen Grund keinen regulären Arbeitsplatz innehatten. Im Lauf der Zeit sind aber die Erwerbsbeteiligungsquoten angestiegen, insbesondere bei den Frauen und in den gesellschaftlich fortgeschrittenen Volkswirtschaften der OECD. Dies trifft auch vor allem dann zu, wenn man Studierende zu der tatsächlichen Erwerbsbevölkerung zählt – wie es richtig wäre, da ihre Arbeit Teil der gesellschaftlichen Investition in
Weitere Kostenlose Bücher