206 - Unterirdisch
Hölle?«
»Geflohen. Es war, als ob jemand ein stilles Kommando gegeben hätte. Plötzlich machten sie kehrt und flohen in Richtung Dschungel«, antwortete Jarin ohne aufzuschauen. Sie untersuchte das Hundewesen, zupfte am Fell und hielt Barah ein Büschel faserige Flechten entgegen. »Sie sind tatsächlich aus Pflanzenfasern. Das sind Kopien von Menschen und Tieren!« Ihr Blick strich wieder über die tote Kreatur. »Nur dass ich so eine Art Hund noch nie zuvor gesehen habe«, stellte sie mit leichtem Schaudern fest.
Barah sagte nichts. Wilde Gedanken tobten durch ihren Kopf. Was hatte das alles zu bedeuten? Woher kamen diese Biester? Und was tat Gjorgis Abbild bei ihnen? War es Athikayas Zorn, von dem Arah gesprochen hatte?
Jarin riss sie aus ihren Gedanken. »Du blutest! Lass uns zu den anderen gehen. Arah und ihre Novizinnen versorgen die Verletzten.« Während sie sich erhob, begann der Kadaver zu ihren Füßen sich zu bewegen. Schnell wich sie zurück und zückte ihre Waffe. Der moosgrüne Leib des Hundes zog sich raschelnd und knisternd zusammen. Wie verwelkendes Laub änderte er seine Farbe von Rostrot in Ocker zu Braun. Vor den Augen der staunenden Frauen zerfiel er in unzählige trockene Fäden.
Vom Ratshaus drangen Stimmen zu ihnen herüber. »Carah ist weg! Und auch Jesse!«
***
Carah kämpfte Seite an Seite mit Jesse. Egal wie viele dieser geisterhaften Wesen sie erlegten, es schienen immer mehr zu werden.
Plötzlich stand Zgeweni vor ihnen. Obwohl Carah und Jesse wussten, dass dies nur eine Geisterkopie der Jägerin war, ließen sie ihre Waffen sinken. Zu groß war die Überraschung, eine der Ihren in diesem Dämonenhaufen zu sehen.
Sie bereuten ihr Zögern sofort. Etwas Großes sprang Carah in den Rücken und brachte sie zu Fall. Gleichzeitig schlug die Geisterkopie Zgewenis Jesse die Lanze aus der Hand. Carah lag auf dem Bauch und sah noch, wie eine weitere Gestalt über Jesse herfiel. Dann musste sie sich um sich selbst kümmern.
Hinter sich hörte sie ein hässliches Fauchen. Sie rollte sich auf den Rücken. Gerade noch rechtzeitig, um dem riesigen Körper, der auf sie zuflog, ihren Dolch in den Leib zu rammen.
Es war ein Lioon. Aus der Wunde in seinem Bauch zischte es leise, dann fiel er auf sie. Er war leicht wie ein Sack Vultuurfedern.
Carah rollte das tote Geistmonster zur Seite. Schnell rappelte sie sich auf. Als sie sich umdrehte, sah sie in der Ferne zwei der Geistwesen Richtung Dschungel laufen: Eines war die Kopie von Zgeweni. Sie schleppten den leblosen Körper von Jesse zwischen sich.
Ohne lange nachzudenken, nahm Carah die Verfolgung auf.
Die Wesen waren unglaublich schnell. Manchmal hatte die Stadtführerin den Eindruck, sie flögen über den Boden. Mitten im Dschungel kam ihr zum ersten Mal der Gedanke, welche Torheit sie beging: ohne Begleitung, nur mit einem Dolch bewaffnet, im Dschungel zwei Wesen nachzujagen, die ganz offensichtlich nicht von dieser Welt waren. Trotzdem setzte sie ihre Verfolgung fort. Es ging schon lange nicht mehr nur um Jesse. Sie wollte wissen, woher die Bestien kamen, wer sie geschickt hatte, und vor allem, wie sie vernichtet werden konnten.
Weit hinter dem Felsendom, den das Beben aus der Erde gehoben hatte, ging es ein Stück weit bergab. Sie verbarg sich hinter einem Baum und beobachtete, wie die Wesen mit Jesse eine Böschung hinunter liefen. Mit einem Mal waren sie verschwunden. Carah lauschte, aber außer den Stimmen des Waldes war nichts zu hören. Sie wartete ein wenig. Dann schlich sie den Hang hinab. An seinem Fuß suchte sie nach Spuren, lauschte nach Geräuschen der Wesen. Aber sie konnte nichts erkennen oder hören. Es war, als hätte die Erde sie verschluckt.
Noch einmal lief Carah die Stelle ab, an der sie die Gestalten zuletzt gesehen hatte. Nach wenigen Schritten brach plötzlich der Boden unter ihren Füßen weg. Sie stürzte in die Tiefe. Mit paddelnden Händen suchte sie nach Halt. Ihre Finger streiften kalten Stein, ihr Rücken schlug gegen Felsen, ihr Körper fiel nach vorne, ihr Kopf prallte gegen etwas Hartes und sie verlor für einen Augenblick die Besinnung.
Als sie wieder zu sich kam, war ihr speiübel. Ein beißender Gestank kroch in ihre Nase. Etwas Feuchtes rann über ihre Stirn. Sie tastete danach. Es war Blut. Ihr Blut. Sie untersuchte ihren Kopf und fand eine Platzwunde oberhalb der Stirn. Sonst war sie unverletzt.
Wie war das möglich? Sie war bestimmt zwei Woormlängen in die Tiefe gestürzt. Eigentlich
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