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206 - Unterirdisch

206 - Unterirdisch

Titel: 206 - Unterirdisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn und Jo Zybell
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Kamm eine Horde großer Affen, die Matt an Paviane erinnerten. Rulfan hatte solche Tiere nie zuvor gesehen; er wusste nicht einmal, was Paviane waren. Am späten Nachmittag tauchte eine kleine Herde Nilpferde in den Fluten unter, als der schnaufende und zischende Rouler um eine Flussbiegung pflügte.
    Die Männer redeten nicht viel. Einmal hielten sie an, um Brennmaterial zu sammeln. Chira nutzte die Gelegenheit, um im Unterholz zu verschwinden und zu jagen. Als sie später weiterfuhren, hockte sie auf der Rückbank, leckte sich die blutigen Lefzen und putzte ihr schwarzes Fell.
    Gegen Abend strömte das Wasser des Flusses aus exakt südlicher Richtung. Nach einem kleinen See überquerten sie ihn und entfernten sich von ihm. Sie fuhren um einen Sumpf herum, vor dem die Jäger sie gewarnt hatten, und erreichten einen Berghang. Der Wald ging hier wieder nach und nach in Buschland über.
    Matt steuerte die Maschine über Serpentinen einen flachen Hang hinauf. Auf dem Kamm des Bergzuges schlugen sie unter einer Gruppe Akazien ihr Nachtlager auf. Nur wenige Kilometer entfernt glühten die Umrisse des Hochgebirges im Licht der untergehenden Sonne.
    Später am Lagerfeuer beugten sie sich über die Kartenskizze. »Nach diesem Plan sind es noch fast tausend Kilometer Luftlinie bis zum Victoriasee«, sagte Rulfan.
    Matthew rief sich die Karten aus der Zeit vor »Christopher-Floyd« ins Gedächtnis und schüttelte den Kopf. »Das kann nicht sein«, sagte er. »Bis zum Westufer des Sees dürften es noch höchstens vierhundert Kilometer sein. Richtung Westen scheint die Karte immer ungenauer zu werden.«
    »De Roziers Wolkenstadt liegt am Südostufer, wenn ich Victorius richtig verstanden habe«, sagte Rulfan. »Welche Entfernung schätzt du bis dahin?«
    »Noch einmal vier- bis fünfhundert Kilometer.« Matt zuckte mit den Schultern. »Zwei bis drei Wochen sind wir sicherlich noch unterwegs.« Mit einer Kopfbewegung deutete er auf den Dampfrouler. »Vorausgesetzt, die Maschine spielt weiterhin so gut mit.« Mit besorgtem Blick musterte er Rulfans Gesicht.
    »Die Kratzspuren haben sich entzündet.«
    »Ich weiß.« Rulfan hob die rechte Hand. Vier glühend rote Striemen verliefen über den Unterarm bis zu den Fingerknöcheln. Das Gewebe darum herum war stark angeschwollen. »Es tut auch höllisch weh.«
    Sie rollten sich in ihre Decken. Bald hörte Rulfan den Gefährten schnarchen. Er selbst fand lange keinen Schlaf.
    Pochender Schmerz im Gesicht und an der zerkratzten Hand ließen ihn lange nicht zur Ruhe kommen. Als er endlich einschlief, plagten ihn die wildesten Träume.
    In einem, an den er sich noch lange erinnerte, sprach er mit Aruula. Sie lachten und scherzten. Plötzlich brach ein baumhoher Gorillamutant aus dem Unterholz, packte Aruula und verschleppte sie. Im Traum sprang Rulfan auf, wollte den Säbel ziehen und die Bestie verfolgen – doch der Säbel schien in seinem Rückengurt festzukleben, und seine Stiefel versanken im sumpfigen Boden, sodass er nicht vom Fleck kam. Von fern hörte er Aruula schreien und die Bestie brüllen.
    Er fuhr hoch und meinte, nicht länger als höchstens fünf Minuten geschlafen zu haben. Sein Schädel schmerzte, er fühlte sich fiebrig. Irgendwo aus der Dunkelheit hörte er Chira knurren.
    Rulfan richtete sich auf und blickte sich um. Breitbeinig stand die Lupa vielleicht ein Dutzend Schritte entfernt zwischen den Stämmen zweier Akazien. Deutlich konnte Rulfan ihre Gestalt im dämmrigen Licht des Morgengrauens erkennen: Sie hatte die Ohren angelegt und den Schwanz ausgestreckt. Rücken- und Schwanzfell waren gesträubt. Sie fletschte die Zähne.
    Dunstschwaden hingen in den Baumkronen, in den Büschen auf dem Hang unterhalb des Akazienhains und über dem Gras.
    Die Gestalt eines Mannes schälte sich aus dem Dunst – schwärzlich grau war er und zierlich, und sofort musste Rulfan an die kleinen, zierlichen Jäger denken, die Matt und er vor der Rache der Gorillamutanten gerettet hatten.
    Chira knurrte unablässig, zugleich aber zögerte sie, die etwa sechzig Schritte entfernte Gestalt im Hang anzugreifen. Rulfan tastete nach seinem Säbel und erhob sich.
    »Matt!« Den Säbel in beiden Fäusten, schritt er am Lager seines Gefährten vorbei auf den Fremden zu. Seine Knie waren ungewohnt weich und seine Glieder schwer. »Wach auf, Matt – wir haben Besuch.«
    Er lief an Chira vorbei und trat aus der vermeintlichen Sicherheit des Akazienhains auf den Hang. Der Fremde regte sich nicht.

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