206 - Unterirdisch
Sie weckte Rulfan, gab ihm zu trinken und bedeckte seine eiternden Kratzwunden mit den ausgekochten Pflanzenteilen.
»Was ist das?«, wollte er wissen.
»Unkalingo«, antwortete sie ohne weitere Erklärung.
Rulfan schlief tief und fest, das Fieber aber war nicht gesunken, als er am nächsten Morgen aufwachte.
Die Jäger halfen Matt, den Kessel des Roulers mit Wasser zu füllen. Rulfan war kaum noch in der Lage, einen Eimer zu tragen. Neugierig beobachteten die Jäger, wie das Gefährt zu stampfen und zu schnaufen begann. Mit den groben Handschuhen, die neben zwei Helmen zum Inventar des Roulers gehörten, überprüfte Matt die heißen Leitungen. Die bisherige Ochsentour hatte keine nennenswerten Spuren an dem Gefährt hinterlassen. »Wir können los«, verkündete er dann.
Barah gab Jarin ein paar Anweisungen. Danach setzte sie sich neben Chira auf den Rücksitz.
Das Gefährt dampfte in die Berge hinein und nahm den Aufstieg zur Hochebene in Angriff. Jarin und die Jäger blieben zurück.
***
»Hey, ho! Halte deinen Woorm zurück!«, rief Spenza dem anderen Woormführer zu. Der Hinterleib des Tieres vor ihm peitschte an die Wände des Stollengangs. Steinsplitter und Staub flogen Spenza um die Ohren. Der Leib des Maelwoorms drängte mit aller Kraft nach hinten. Er wollte rückwärts aus dem Gang.
»Ich kann ihn nicht halten!« Der andere Woormführer zerrte an den Lenkzügeln und drosch mit seinem Stab auf das Tier ein.
Jetzt wurde es auch Spenzas Woorm zu viel: Er hob den Kopf und gab ein tosendes Trompeten von sich. Das vordere Tier reagierte sofort: Es beendete seine wilden Bewegungen und blieb schnaufend in dem Höhlengang liegen. Spenza lenkte nun seinen Woorm rückwärts aus dem Stollen.
Sie hatten sich die beiden letzten Tage über mehrere Woormlängen in den Felsendom gegraben: Der vordere Maelwoorm zermalmte das Gestein, das den Zugang zum Höhlensystem versperrte, der hintere wälzte den Schutt aus dem Stollen. Am frühen Abend hatten sie es endlich geschafft.
Aber der vordere Woorm weigerte sich, in das freigelegte Höhlensystem zu kriechen. Etwas ängstigte das Tier.
Spenza fluchte leise. Hätte Arah auf ihn gehört, wäre er als Erster in den Stollen geritten. Sein Maelwoorm war das Leittier! Überhaupt sollte er gar nicht hier sein. Die Wunde unter seinem Verband pochte. Dieser verfluchte Mochokida hatte ganze Arbeit geleistet: Bis auf den Knochen reichte die Wunde, die die Zähne des Raubfischs in Spenzas Bein gerissen hatten. Die Heiler hatten sie gekonnt zusammengeflickt und Spenza einen Kräuterverband aus Unkalingo angelegt. Dessen antibiotische Wirkung sollte eine Infektion verhindern. Sie legten ihm nahe, das Bein noch einige Zeit zu schonen.
Trotzdem ließ die Priesterin nach ihm schicken. Spenza hatte geglaubt, es ginge um die verschwundene Carah, aber weit gefehlt. Die Alte wollte auf Gedeih und Verderb diesen Tempel ausgraben. Und Spenzas Woorm ließ sich nur von ihm führen.
Nun gut, jetzt hatten sie Arah den Zugang geöffnet. Alles Weitere sollte sie gefälligst selbst erledigen! Spenza klopfte mit seinem Stab an die Seite des Woorms. Da er nicht auftreten konnte, musste er das Tier im Sitzen lenken. Normalerweise hasste er den Sattel unter seinem Hintern, aber heute schätzte er ihn. Der Steigbügel stabilisierte zudem sein verletztes Bein.
Draußen vor der Höhle liefen die Enkaari auseinander, um den Tieren Platz zu machen. Es war bereits dunkel geworden.
Im Fackellicht der Wartenden sah Spenza die Priesterin auf sich zu eilen. »Was ist los?«, rief sie. Ihre grauen Haare hingen wirr um ihren Kopf und sie sah müde aus.
»Wir sind durch! Aber mein Woorm ist ausgebrochen. Er will nicht in die Höhlen. Etwas hat ihn erschreckt!«, hörte Spenza den anderen Woormführer rufen.
Arah betrachtete nachdenklich das unruhige Tier. »Bring ihn in die Siedlung zurück! Hier ist er nur im Wege!«, befahl sie.
Der Blick ihrer grauen Augen heftete sich auf Spenza. »Was ist mit deinem Woorm? Fürchtet er sich auch?«
»Niemals!«, hörte Spenza sich sagen. Und bevor er sich versah, führten er und sein Maelwoorm die Priesterin und ein Dutzend Enkaari auf dem Weg durch den Stollen an. Im Licht der Fackeln erreichten sie die Öffnung zu dem Höhlensystem.
Wie ein dunkler Rachen gähnte sie aus dem feuchten Felsen.
Mit einem scharrenden Geräusch wälzte sich der Woorm hindurch. Sie führte in eine kuppelförmige Höhle, aus der mehrere Gänge abzweigten. Zwei Novizinnen leuchteten
Weitere Kostenlose Bücher