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208 - Nach der Eiszeit

208 - Nach der Eiszeit

Titel: 208 - Nach der Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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sogar einen kleinen Umweg mit mir gemacht und mir einige der seltenen Berggorillas gezeigt. Eine Mutter hatte ein Baby. So süß. Und einen der sagenumwobenen Silberrücken habe ich auch gesehen. Was für eine Macht und Kraft der Gorillamann ausgestrahlt hat, und gleichzeitig eine unglaubliche Sanftheit. Ich kann mir jetzt besser vorstellen, warum sich Dian Fossey so für den Erhalt dieser Riesen eingesetzt hat.
    Gegen Abend hat sich allerdings etwas Unerfreuliches zugetragen. Zwei Hutu-Arbeiter sind auf einen Tutsi losgegangen und haben ihn mit einer Eisenstange schwer verletzt. Wenn John nicht eingegriffen hätte, hätten sie den armen Kerl wohl totgeschlagen. John sagt, dass wir hier auf einem Pulverfass sitzen, denn der Konflikt zwischen Hutu und Tutsi, der letztes Jahr mit einem grausamen Massaker in Kigali einen neuen Höhepunkt erreicht hat, sei zunehmend auch in der Anlage ein Thema. Hier gäbe es rund vierhundert Tutsi und ungefähr neunhundert Hutu. Lindemann war wohl gegen eine solche Verteilung, aber Präsident Bizimungu hat darauf bestanden, weil er die beiden größten Ethnien Ruandas ungefähr gleich behandeln will. Könnte ein Fehler gewesen sein.
    17. April 2011:
    Meine Arbeit macht Fortschritte, aber ich bin traurig und muss immer wieder weinen. John tröstet mich ganz lieb. Denn Wilderer haben heute Nacht mit automatischen Gewehren auf die Gorillas geschossen und den Silberrücken getötet. Das Baby ist schwer verletzt worden, wird aber überleben. Man hat es durch den Verbindungstunnel zum Karisoke Research Center gebracht, wo es behandelt wird. Ich stelle Menschenleben über alles, aber in diesem Fall bin ich froh, dass zwei der Wilderer von den Rangern abgeknallt wurden. Ich fühle mich den Gorillas verwandter als diesen Mistkerlen.
    23. Juni 2011:
    Ich habe zwei Tage frei! Sonderurlaub, weil mir ein Durchbruch in unserer Arbeit geglückt ist. Das freut mich insofern nicht richtig, weil Johns Theorien und Arbeitsansätze sich dadurch als falsch erwiesen haben.
    Gott sei Dank nimmt er es sportlich. Er hat mir sogar gratuliert. Das erleichtert mich ungemein. Es wäre schrecklich für mich, wenn John mich nicht mehr mögen würde. Puh. Was habe ich da eben geschrieben? Bin ich etwa verliebt in ihn? Ich fürchte, ja. Jaaaaaa!
    24. Juni 2011:
    Wow. Ich schreibe diese Zeilen im Karisoke Research Center. Meinen zweiten freien Tag habe ich genutzt, um die Gorilla-Station am Sabinyo zu besuchen, was ich schon lange mal wollte. Der mächtige Verbindungstunnel macht mich sprachlos. Er hat zwar nicht die Dimensionen des Eurotunnels unter dem Ärmelkanal, ist aber mindestens ebenso beeindruckend. Autos verkehren darin, hauptsächlich Jeeps. Na ja, und das Karisoke Research Center ist ebenfalls beeindruckend. Mir fällt auf, dass mich hier alles beeindruckt. Aber es ist halt nun mal so. Allerdings erinnert mich das Karisoke mehr an eine stark gesicherte Kaserne. Hier laufen Scharen von schwer bewaffneten Wildhütern herum. Die Ranger tragen fast alle automatische Gewehre. Yarwanda, der Leiter des Karisoke, hat mir erzählt, dass die Wilderer in immer größerer Überzahl kommen und die Ranger längst eine Art Krieg führen, um die Gorillas zu schützen. Seit Gorilla-Trophäen von amerikanischen Sammlern mit zehntausenden von Euro bezahlt werden, sind bei einigen die letzten Hemmungen gefallen. Und dann kommt noch dazu, dass die Japaner neuerdings Gorillahoden als Potenzmittel entdeckt haben. So ein Schwachsinn.
    Warum werde ich plötzlich so unruhig? Ich glaube, ich vermisse John nicht nur, ich würde ihn gerne berühren, streicheln, küssen. Vielleicht sogar mit ihm schlafen?
    30. August 2011:
    Im Fernsehen und Radio reden sie seit Tagen über einen Kometen, der sich der Erde nähert. Sie nennen ihn
    »Christoph-Floyd« oder so ähnlich. Einige glauben, dass er hier einschlagen wird. Das ist sicher nur Panikmache, aber doch irgendwie gruselig. Ich gestehe, dass mir eine solche Vorstellung Angst macht.
    17. Dezember 2011:
    Ich freue mich gar nicht auf Weihnachten. Noch immer schmerzt es unendlich, dass mich John mit einer Tutsi-Frau betrogen hat, obwohl ich schwanger von ihm bin. Am liebsten würde ich flüchten, alles hinter mir lassen, um dieses Schwein nicht mehr sehen zu müssen, aber das geht nicht. Lindemann lässt mich nicht weg.
    Vielleicht ist das auch besser. Ich bin wirklich durcheinander, es fällt mir schwer, meine Gedanken beieinander zu halten. Dieser blöde Komet, der täglich näher an die

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