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208 - Nach der Eiszeit

208 - Nach der Eiszeit

Titel: 208 - Nach der Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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unerlässlich sind. Irgendein Scherzbold hat sie »Uni-Regeln« genannt. Dieser Ausdruck hat sich allgemein durchgesetzt. Witzig.
    Weniger witzig ist, dass Lindemann die Ranger zu einer Art Polizeitruppe ernannt hat, die die Einhaltung der Regeln überwacht. Es gab bereits zwei Tote.
    30. Mai 2017:
    Ich komme kaum noch nach oben ins Freie. Vor zwei Tagen hatte ich einen schlimmen Koller. Fast hätte ich John dabei erstochen. Das Leben in diesem Bunker macht mich fertig, auch wenn ich jetzt wieder arbeite.
    Das schaffe ich kaum. Ich glaube, ich besuche wahlweise die Musikkurse, die Lindemann anbietet. Er doziert dort stundenlang über die Herzbuam und die Höhner und über Joe Cocker und spielt deren Musik vor. Das soll einen angeblich zu besseren Menschen machen. Ich denke, dass bei Lindemann irgendwas ausgehakt ist. Aber noch folgen ihm die meisten, weil sie froh sind, jemanden zu haben, der für sie denkt und entscheidet.
    23. September 2023:
    Lindemann ist jetzt seit vier Wochen tot. Ein Hutu, der bei »Viva Colonia« durchgedreht ist, hat ihm ein Messer in den Hals gerammt. Die Ranger haben ihn dafür erschossen. Heute habe ich gesehen, wie der neue Führer einer schwarzen Gruppe, die sich immer mehr von uns Weißen abgrenzt, eine religiöse Zeremonie im Büro Lindemanns veranstaltet hat. Unheimlich. Er hatte einen Federschmuck auf dem Kopf, und sein Körper war über und über mit roter und gelber Farbe bemalt. Auf dem Tisch lagen die Uni-Regeln und an der Wand hing Lindemanns Bild. Dann hat dieser Medizinmann – oder was immer er darstellen soll – ein paar von Lindemanns Lieblings-CDs eingelegt und wild getanzt. Anschließend hat er sich zu Lindemanns Bild hin verneigt und sich die CDs an die Ohren gehängt! Das Ganze wirkte wie ein religiöser Akt auf mich.
    26. August 2027:
    die lge wird immer schwiriger. schon seid monaten bekämpfen uns teile der schwarzen ganz offen, sie hassen uns weisse un keiner weis warum, wortfürer ist dieser medizinman ein ehemaliger inschenjör. er tut was lindeman vorgegeben hat: er lässt die schwarzen arbeiten und prozieren, un er belagert uns.
    wir weissen haben uns zusamm mit den schwarzen verschanzt die uns wohlgesonen sin aber waser und voräte gehen langsam zur neige, mein Julian ein zorniger junger mann würde die aufständler am liebsten im aleingang überennen weil sie uns den ganzen tag mit lindemans musik beschallen, keiner von uns kann den scheiss noch hörn, doch die rebellen haben ihn zu einem teil ihrer neuen religjon gemacht, abartig, das einzig gute ist das sie john erwischt und gefresen ham. bin müde, so müde, ich weis nich ob ich noch die kraft hab für weitere eintrage…
    Hier endeten die Tagebucheinträge tatsächlich. Was weiter passiert war, würde also ewig im Dunkel der Geschichte bleiben.
    ***
    Afra, Dezember 2522
    Gleich am nächsten Morgen rief Yao die Konferenz an. Seine Behauptung, die Uni-Regeln gefunden zu haben, löste beträchtliche Aufregung unter den sechzehn ältesten Huutsi-Männern aus. Sie schmückten sich mit dem Ehrentitel Lehrer und bildeten die Konferenz, die über alle wichtigen Fragen des Zusammenlebens entschied. Die Konferenz war so angesehen, dass sich in aller Regel sogar das Königshaus ihren Entscheidungen beugte.
    Koroh, der der Konferenz als Oberlehrer vorsaß, berief sie gleich für die Mittagszeit ein. Kurz bevor die Sonne ihren höchsten Stand erreichte, versammelten sich die Ältesten im Rektorat, das unterhalb des Palastes angesiedelt war. Banyaar war geladen und verspätete sich dieses Mal nicht. Er zog prunkvoll wie der König in das Rektorat ein, obwohl er es noch nicht war. Sogar den Königsstab, den er noch gar nicht tragen durfte, weil dieses Recht momentan nur seinem an Gedächtnisverlust leidenden Vater Twaa vorbehalten war, hielt er in der Rechten. Diese Machtdemonstration löste deutlichen Unwillen bei den Lehrern aus. Sie ließen Banyaar aber gewähren.
    Der Prinz bedachte den verletzten Yao und den neben ihm stehenden, grünlich leuchtenden Kristall mit finsteren Blicken. Der Erste Maschiinwart wiederum freute sich über den taktischen Fehler seines Gegenübers.
    Im warmen Schein der Mittagssonne, die durch ein Deckenfenster fiel, eröffnete Koroh die Sitzung. Er erteilte Yao das Wort. Der Erste Maschiinwart erhob sich unter Schmerzen, ließ es sich aber nicht nehmen, bei seinem Vortrag zu stehen. Er beschuldigte Banyaar des versuchten Mordes an ihm, was aber lediglich ein Vorgeplänkel war. Tote

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