2085 - Kintradims Heim
sein Navigator von Wircen La'm Uvaru gefoltert worden war.
Es war einst, in der Anfangszeit, sogar so gewesen, dass er Abscheu davor empfunden hatte, sich mit den Kreaturen in den Tanks abgeben zu müssen. Daran erinnerte er sich gut. Und jetzt tanzte er mit ihnen und geriet darüber gar in Verzückung, trieb von einem Sinnesrausch zum anderen. Was war mit ihm passiert? Es musste an der Ausstrahlung der Halle der Ewigen liegen, an den Ewigen selbst. Es konnte nur so sein, dass sie eine Form eines alles überlagernden Kollektivbewusstseins entwickelt hatten, das auf ihn übergriff, ihn beeinflusste, ihn umkrempelte und zu einem anderen machte. Er hatte sich im Laufe der Zeit auch angewöhnt, mit den Kreaturen in den Tanks zu sprechen. Er hatte - außer Kintradim Crux bei dessen seltenen Besuchen - keine anderen Gesprächspartner. Aber er erhielt nie Antworten von den Ewigen. Nur wenn er seine Schmerzwellen aussandte, meldeten sich seine Schützlinge mit ihren Leidensgesängen.
So musste er sich irgendwann eingestehen, dass er nicht viel besser dran war als die Ewigen in ihren Tanks. Er war ebenso wie sie in diesem tristen Leben innerhalb dieser undurchdringlichen Mauern ge fangen. Ohne die geringste Aussicht, seinem Gefängnis je entfliehen zu können. Dabei hatte er es versucht. Nicht einmal, sondern öfters, eigentlich unzählige Male. Aber er war im wahrsten Sinne des Wortes gegen Mauern angerannt. Es gab in dieser Festung nirgendwo ein Schlupfloch, das nach draußen geführt hätte.
Vielleicht gab es so etwas wie ein „Draußen" an diesem unseligen Ort nicht einmal. Aber woher kamen die vielen Besucher? Und wie kamen sie herein? Inkaty Chirpagnon war es gelungen, dies auszukundschaften. Aber es war ihm versagt, den Weg der Besucher nach draußen zu nehmen. Er scheiterte bei seinen Fluchtüberlegungen auf allen Linien.
Mit jedem vergeblichen Versuch wurde er nur deprimierter. Und grausamer. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da hätte er alles getan, um am Leben zu bleiben. Und er hatte es getan. Er hatte sein Volk dem Untergang preisgegeben, nur um selbst weiterleben zu dürfen. Jetzt war er an dem Punkt angelangt, da er sich fragte, ob der Tod für ihn nicht eine Erlösung wäre. Aber es gab gelegentlich Lichtblicke in seinem sonst so eintönigen, jämmerlichen Leben ...
Für ihn war es jedes Mal ein Höhepunkt, wenn Kintradim Crux zu Besuch kam und Kontakt zu ihm aufnahm. Manchmal passierte es, dass er die Anwesenheit des Architekten förmlich spürte, auch wenn dieser sich in seinem Bereich nicht blicken ließ.
Dann stand Inkaty im mer Höllenqualen aus. Wenn der Architekt wieder verschwand, ohne sich ihm gezeigt zu haben, ließ er seine Enttäuschung an den Kreaturen in den Lebenstanks aus, bis er sie fast zu Tode quälte ... Aber eben nur fast, denn Crux hätte es ihm nie verziehen, wenn er einen seinen Lieblinge durch seine Schuld verloren hätte.
Die schönsten Momente waren aber, wenn Kintradim Crux zu ihm kam und ihm Geschichten über den Kosmos erzählte. Das war meist, wenn der Architekt aus dem Kabinett Saraogh kam. Danach hatte er stets ein großes Mitteilungsbedürfnis. Und Inkaty hätte ihm stundenlang zuhören können. Danach wuchs seine Sehnsucht nach dem verlorenen Leben in den Weiten des Standarduniversums ins schier Unermessliche, sein Seelenschmerz wurde schlimmer als zuvor.
6.
Kintradims Heim besuchen Es war nicht leicht, eine Absteige zu finden, denn die meisten Herbergen waren durch Dauergäste voll belegt. Ein Keyrettler-Ordner gab ihnen schließlich den Tipp, es bei „Crux' Hafen" zu versuchen. Der Name klang vielversprechend, aber „Crux' Hafen" entpuppte sich als hässliches, vielfach ineinander verschachteltes - natürlich fensterloses - Gebäude mit ebenso ineinander verschachtelten, winzigen und unüberschaubaren Räumen. Und es war ein Massenquartier, in dem so etwas wie Intimsphäre nicht existierte. An der Rezeption tat eine betagte Keyrettler mit faltigem Echsengesicht und aufgedunsen wirkendem, fettgepolstertem Körper Dienst. .„Solche wie euch sind mir in Herkoven-Lu noch nicht begegnet", sagte sie, während sie jedem von ihnen einen Stempel auf den Handrücken drückte, so dass sie als Gäste ihres Hauses zu erkennen waren. Mehr Formalitäten gab es nicht, und die Unterkünfte waren kostenlos. „Woher kommt ihr?"
„Aus dem Kabinett Terra", sagte Mondra spontan. „Wir sind Ingenieure, die die Aufgabe haben, die Kabinette neu zu vermessen. Man sollte es
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