2095 - Nekrophoren
letztes Blut verströmt war ...
Und dann schlug die Flut endgültig über dem Speer zusammen, löste ihn auf und zerquetschte ihn gleichzeitig. Kintradim Crux' Bewußtseinssplitter wurde endgültig verweht, vielleicht ins Nichts, vielleicht in die unbekannten Gefilde zwischen Chaos und Ordnung, vielleicht in eine Materiesenke, falls seine Herren Erbarmen mit ihm hatten, um ihn von dort auf die andere Seite zu holen.
Torr Samaho hatte den Zweikampf zwischen ihm und dem Bewußtseinsrest des Architekten für sich entschieden.
Das war die letzte Großtat des ehemaligen Dieners der Materie, erkannte Mondra.
Und blieb abrupt stehen. Sie mußte nur noch die Hand ausstrecken, und sie hätte das Schott berührt, durch das sie die Lagerhalle betreten hatten.
Aber die Hand gehorchte ihr nicht mehr.
Dann traf die geballte geistige Macht des Zyklopen sie wie ein Hammer.
Ihre Flucht war gescheitert.
*
Es war nur noch ein Bruchteil ehemaliger Kraft, aber er reichte spielend aus, um Mondra Diamonds Willen sofort zu brechen.
Dann richtete sich Samahos gesamte Konzentration auf die ehemalige Agentin, und sie spürte, wie sie sich umdrehte, wieder in Bewegung setzte. Unsichtbare Fäden hoben ihre Arme, ihre Beine, schienen sie fast gewichtslos zu machen.
Ihre Füße trugen sie zurück zu Torr Samaho, und als sie dann vor ihm stand, erinnerte sein einäugiges, grobes Gesicht sie an einen ausgedörrten Totenschädel.
Samahos Lebensfunke stand kurz vor dem Erlöschen.
Nur noch unbändiger Haß hielt ihn aufrecht. Würde ihn so lange aufrecht halten, bis er sein letztes Ziel erreicht und die Nekrophore geöffnet hatte. Davon war Mondra überzeugt.
Vielleicht irrte sie sich auch. Ein donnerndes Geräusch ließ sie zusammenfahren. Torr Samaho war auf die Knie gegangen.
Mondra bückte sich, nahm wieder den Meßfühler in die Hände, sie führte den meterlangen Gerätearm mit den unverständlichen, scharfkantigen Vorrichtungen zurück an den Deckel des von Samaho ausgewählten Fasses. Sie konnte geradezu fühlen, wie der Verschluß sich lockerte.
Kreise aus Hunderten kleiner roter Punkte, die unregelmäßig verteilt waren wie die Atome in einem verwirbelten Gas, schienen in Bewegung zu geraten, immer schneller zu wirbeln, bis sie sich kaum noch von dem Gas unterschieden, das sie darstellten.
Schwer seufzend glitt der ehemalige Diener der Materie tiefer, prallte auf den Ellbogen auf, rutschte noch weiter vorwärts.
Wenn Mondra die Klappe öffnete, wenn die Biozide entwichen, war nicht nur sie tot, Samaho sowieso, sondern auch Atlan, Mohodeh Kascha, Trim Marath, Startac Schroeder und die anderen, ganz zu schweigen von all den Wesen der Wolkenkapsel.
Die Biozide werden aber nicht Cairol den Dritten töten, dachte Mondra, und der Gedanke kam ihr vor wie die reinste Ironie, auch wenn Samaho sich das noch so sehr erhofft. Denn Cairol ist ein Roboter, ein Roboter der Kosmokraten ...
Die Kreise wirbelten, und das verwirbelte Gas dehnte sich aus, und Mondra wußte, sie mußte die Nekrophore nur noch gut ein halbes dutzend Mal mit dem Meßfühler berühren, und dann war es soweit, noch sechsmal, und die Klappe würde sich öffnen, noch fünfmal, und Abermilliarden von Koagulaten würden entmaterialisieren wie schillernder Funkenregen, noch viermal, und sich entlang der Gravitationslinien des Landes Dommrath verteilen, noch dreimal, und ins vierdimensionale Kontinuum eintreten, noch zweimal, und ein Biozid würde in ZENTAPHER verbleiben, noch einmal, und ...
Und sie senkte den Meßfühler auf die Nekrophore und spürte Torr Samahos unbändigen Triumph, und seine Genugtuung fegte so gewaltig über sie hinweg, daß ihr Bewußtsein einen winzigen Moment lang wieder ihr selbst gehörte, die Oberhand gewann, weil da nur noch Triumph war und keine Kontrolle mehr. Und Mondra Diamond reagierte, wie sie vielleicht nur reagieren konnte, weil sie eine ausgebildete TLD-Agentin war.
Sie riß den Meßfühler herunter, schwang das Gerät, legte alle Kraft in diese Bewegung und führte den Schlag direkt in das Auge des Zyklopen!
Odysseus läßt grüßen, dachte sie.
Der Schwung des Hiebes riß sie von den Füßen, doch seine Wirkung war verheerend. Das Zyklopenauge Samahos platzte, scharfe, beißende Flüssigkeit spritzte über Mondra Diamond und schien ihre Haut zu verätzen, der Meßfühler drang tief in den Schädel des Maunari-Leibes ein.
Ein gellender Schrei drohte ihre Trommelfelle zu zerfetzen.
Torr Samaho schien die Arme
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