2096 - Kraschyns Ultimatum
unsichtbaren Helfer Ausschau, aber er ließ sich nicht blicken. Sie fand sich damit ab, dass er an einem anderen, sicheren Ort in diesem Schiff saß und von dort aus die Geschicke lenkte. Der TLD-Agentin war es zuwider, sich in einem solchen Einsatz quasi fernsteuern zu lassen. Schirmfelder erloschen oder bildeten Strukturlücken. Lokale Energiespeicher zur Versorgung von Projektoranlagen stellten kurzfristig ihre Arbeit ein. Türmechanismen fielen aus, Holo-Wegweiser markierten die frei begehbaren Sektionen, Korridore und Schächte. Unversehrt durchquerte ihre zwölfköpfige Gruppe mehrere Fallensysteme. Und immer gab der Unbekannte ihnen den Weg kurzfristig vor.
Natürlich hätte sich die Agentin auch anders entscheiden können. Aber dann wären sie und ihre Gruppe lange nicht so schnell vorwärts gekommen.
Ihr Helfer sah sie nicht. Er kannte den Einsatzplan und rechnete sich aus, wann sie an welcher Stelle eintreffen mussten. Entsprechend gestaltete er die Zeitkorridore für seine Freischaltungen.
Tia de Mym schluckte ihre Bedenken hinunter. Sie trieb ihre Leute an. Je schneller sie vorwärts kamen, desto besser war es. Sie durchquerten mehrere Hallen, schlüpften durch Notschächte und hangelten sich an den Streben eines Zwischenbodens entlang. Inzwischen steckten sie irgendwo in der vierten Ebene, ohne genau zu wissen, wo. Das Ziel lag eine Ebene und mindestens acht Etagen unter ihnen. „Klettern für die Menschheit!" spottete einer ihrer Begleiter.
Sie kannte nicht einmal seinen Namen. Schildchen an den Kampfanzügen fehlten, um den Arkoniden im Schiff keine Gewissheit über die Identität der Eindringlinge zu geben. Und noch immer erloschen Schirmfelder oder bauten sich erst gar nicht auf, obwohl die Aggregate Bereitschaft meldeten.
Irgendwann musste in der Leitzentrale jemandem auffallen, was los war. Die Orter meldeten, dass eine der Gruppen weiter drinnen im Schiff unter Feuer lag.
Endlich! Beinahe wäre sie in Jubel ausgebrochen. Der Vorfall zeigte, dass alles mit rechten Dingen zuging. Die Arkoniden reagierten auf die Vorstöße mit Gegenwehr.
Auf das Vordringen ihrer eigenen Gruppe hatte es allerdings keine Auswirkungen. Ihr heimlicher Helfer blieb am Ball, unbeeindruckt von den Schießereien und Explosionen. Die TLD-Agentin wusste, dass dies nur einem hohen Offizier wie dem so genannten Commodore-Schläfer möglich war. Ein einfacher Soldat oder Offizier von niedrigem Rang besaß solche Möglichkeiten nicht.
Ihr Helfer musste zur unmittelbaren Umgebung des Mascants gehören, war aber selbstverständlich keine Hand SEELENQUELLS. Vermutlich saß er in der technischen Führung des Schiffes. Tia schätzte, dass sein Leben am meisten von allen Schläfern gefährdet war. Kraschyn war intelligent genug, aus den Vorfällen die nötigen Rückschlüsse zu ziehen.
Ziemlich bald, schätzte sie, würden sie auf sich allein gestellt sein. Sie trieb ihre Gruppe zu noch größerer Eile an. Die Antigravprojektoren der Anzüge beschleunigten zu Höchstgeschwindigkeit. Längst zählte Tia die Korridore und Schächte nicht mehr. Vor ihrem geistigen Auge sah sie die Zielstation und deren Umgebung vor sich. Ihr Auftrag lautete, zwei der Paratrongeneratoren zu erobern und unter Kontrolle zu bringen. Ein gerafftes Funksignal würde die anderen Gruppen informieren. Sobald sie dieses Ziel erreicht hatten, musste es Schlag auf Schlag gehen.
Die Anzeige ihres Anzugs zeigte 23.29 Uhr. Seit sieben Minuten rasten sie durch die AUMOKJON. Sie durchquerten eine Schleuse abwärts und erreichte die dritte Ebene. Fünf Etagen unter ihnen lagen die Steueranlagen der Paratrons. Eine dicke Stahldecke trennte die Männer und Frauen noch von den Projektorspindeln. Und noch immer gab es keine Spur von den Arkoniden oder deren Robotern. Seltsam, dachte Tia mit einem Anflug von Nervosität.
Die TLD-Agentin entschied sich für einen Reparaturschacht, der sie nach unten durch die meterdicke Stahldecke brachte. Die Sicherheitsschleusen standen offen. Die Ortung schlug aus. Zwar wurden die Impulse von der Streustrahlung der Paratronanlage in ihrer Nähe überlagert, trotzdem erkannte die Positronik, dass Lebewesen unterwegs waren. Mehrere Dutzend Arkoniden erreichten soeben die Zugänge zu den Projektoren und der Steuerung. Kraschyn hatte offensichtlich die Konsequenzen aus der Störung des Paratronsystems gezogen.
Tia de Mym seufzte. Der Einsatzplan berücksichtigte eine solche Situation. Sie selbst hatte sich jedoch die ganze Zeit
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