2099 - Sekundärwaffe Geistertanz
die LEMY DANGER die Glutwolken der arkonidischen Raumer durchstoßen hatte, als Reginald Bull die Absicht des Kommandanten erkannte. Knapp eine Million Kilometer hatte das Schiff in dieser kurzen Spanne zurückgelegt, aber es näherte sich einer Position, von der aus eine Vielzahl brennender und auseinanderbrechender Wracks in fast gerader Linie Arkon III verdeckte.
Im nächsten Moment überstürzten sich die Ereignisse. Die Fülle der Daten in der Netzhautprojektion konnte selbst Reginald Bull nicht mehr aufnehmen.
Etliche Transformexplosionen griffen nach der LEMY DANGER, eine Kette sonnenheißer Gluten, deren Endpunkt den Kurs des NOVA-Raumers kreuzte.
Bullys letzte Wahrnehmung, als er den Transponder löste, war ein expandierender Glutball.
Während Bully die Auswertung auf seine Konsole holte, kämpfte er gegen die Tränen in den Augenwinkeln an. Die Besatzungen der beiden wichtigsten Schiffe hatten von ihm in jeder Hinsicht eigene Entscheidungsfreiheit erhalten, weil es schlicht unmöglich war, alle Eventualitäten dieses Einsatzes im voraus zu kalkulieren. Ohnehin bestanden die Führungscrews aus erfahrenen Männern und Frauen ... Die parallel geschalteten Wiedergabemodi fesselten seine Aufmerksamkeit. Da war die optische Aufzeichnung, die innerhalb weniger Sekunden drei grelle Explosionsblitze und unmittelbar darauf eine sich planetenwärts ausbreitende Glutwolke festgehalten hatte, zweifellos das Ende der LEMY DANGER.
Dem gegenüber stand das aus Energie- und Masseortung zusammengefügte zweite Bild, ergänzt durch eingeblendete Werte. Sie erlaubten eine völlig andere Definition. Die HÜ-Paratron-Staffel der LEMY DANGER hatte sich im Moment der ersten 87 .000-Gigatonnen-Explosion aufgebaut. Zeitgleich waren die Massewerte des Schiffes abgefallen, exakt um die Summe der Carit-Kreuzer, deren Triebwerksemissionen wohl von der Streustrahlung überlagert worden waren. Die Analyse der letzten und größten Explosion zeigte Spektrallinien, die nicht mit der Vernichtung eines NOVA-Raumers übereinstimmten. „Die LEMY DANGER hat ihre Munition ausgeschleust, zur Explosion gebracht und sich mit einer Metagrav-Etappe zu den äußeren Planeten zurückgezogen", meldete in dem Moment Pearl Ten Wafer, die epsalische Kommandantin des Flaggschiffs. „Außerdem haben wir endlich beide Kreuzer in der Ortung." Niemand klatschte Beifall, wie es vielleicht zu erwarten gewesen wäre. Die Anspannung saß zu tief, als dass sie sich schon jetzt gelöst hätte, vor allem waren die Gen-Torpedos noch zu weit von Arkon III entfernt. Aber selbst nach ihrem Einschlag blieb die bange Frage, wie SEELENQUELL wirklich auf das Zellmaterial reagieren würde.
Mausbiber Gucky materialisierte auf dem Kommandopodest. Den Helm seines Kampfanzugs hatte er bereits geschlossen. „Schick mich nach unten, Bully!" klang seine Stimme schrill aus den Lautsprechern. „Ich muss Perry rausholen, bevor die Dinger hochgehen."
„Nein!" sagte Reginald Bull nur. „Wenn Perry noch lebt ..." Gucky verzog die Nase zu einer ärgerlichen Grimasse. „Er lebt noch, aber der Psi-Sturm wird ihn umbringen. Ich teleportiere jetzt ..."
„Du bleibst!" donnerte Bully. „Verdammt, ich will nicht zwei Freunde verlieren. Arkon III ist SEELENQUELLS ureigenes Gebiet und voll mit PIEPERN. Du hättest keine Chance."
„Ich kann nicht zusehen, wie Perry dort ..."
„Das können wir alle nicht." Für einen Moment öffnete Bull seine Gedanken, er wusste, dass der Kleine esperte.
Falls Perry etwas zugestoßen ist, rechne ich mit deiner Hilfe. Dann will ich nur noch Rache an dem, der uns das angetan hat. Gut die Hälfte aller Holos und Bildschirme zeigte die aktuellen Ortungsdaten, unterstützt durch Rafferimpulse von der RIO TOCA. Die Carit-Kreuzer hatten bereits zwei kurze Hypertakt-Etappen mit jeweils gut zwei Millionen Kilometern Flugweite hinter sich gebracht. Der Kurs der TERRANIA wich nur um wenig von dem Vektor ab, den sie vom Mutterschiff mitbekommen hatte, die BARETUS scherte jedoch deutlich aus und würde das Ziel letztlich mit der Sonne im Rücken anfliegen.
Eine bis längstens zwei Minuten waren für den Flug der Kreuzer veranschlagt. Mehr Zeit durfte der negativen Superintelligenz nicht bleiben. Weil niemand vorherzusagen vermochte, ob sie die Bedrohung irgendwie erkennen und entsprechend handeln würde. Es wäre einfach gewesen, die Gen-Fracht von der Systemgrenze aus über rund zweiundzwanzig Milliarden Kilometer, also einundzwanzig Lichtstunden, hinweg
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