21 - Die achte Flotte
Augenblick sehr großen Schmerz in sich. Zum Teil ist das sicher das Schuldgefühl des Überlebenden.« Die mandelförmigen Augen hatten Michelles Blick gesucht und festgehalten. »Fast als hätte er einen Fehler begangen, indem er überlebte, als sein Schiff starb. Kommt dir das bekannt vor?«
Ja, Honor, dachte sie nun. Ja, das tut es.
»Nun, Lieutenant«, sagte sie, »wem so etwas passiert, bei dem hinterlässt es Spuren. Sie verschwinden auch nicht wieder. Glauben Sie mir, ich weiß es aus erster Hand. Die Frage ist nur, ob wir zulassen, dass sie verändern, wer wir sind.«
Gervais zuckte zusammen. Er war in der Erwartung hierhergekommen, er müsse die üblichen Fragen beantworten, seine Erfahrungen zusammenfassen und sein Können unter Beweis stellen. Nie hätte er damit gerechnet, einmal einem Admiral gegenüberzusitzen, dem er nie zuvor begegnet war und der über seine Erinnerungen sprach. Über das finstere Gefühl des Verlusts, die bohrende Frage, weshalb ausgerechnet er überlebt hatte, wo so viele andere gestorben waren.
»Uns verändern, Ma’am?«, hörte er sich fragen. »Ich bin mir nicht sicher, ob das die richtige Frage ist. Sind wir nicht das, was wir sind, als Resultat von allem, was uns verändert? Ich meine, wenn wir uns nicht verändern, dann lernen wir auch nicht, oder?«
Hoppla! Damit hätte ich nicht gerechnet, dachte Michelle. Ihr gelang es, weder zu blinzeln noch überrascht die Augen zusammenzukneifen, aber sie neigte den Sessel ein Stück nach hinten und schürzte nachdenklich die Lippen.
»Das ist ein ausgezeichnetes Argument, Lieutenant«, räumte sie ein. »Und normalerweise mache ich mich nicht solch ungenauer Sprache schuldig. Ich meinte wohl eher, dass die Frage sei, ob wir den Veränderungen gestatten, uns davon abzuhalten, zu sein, wer wir sein wollen. Ob sie verändern dürfen, was wir in unserem Leben erreichen wollen. Lassen wir uns von ihnen … kleinmachen, oder akzeptieren wir die Narben und wachsen weiter?«
Sie redet nicht nur zu mir. Gervais wusste nicht, woher diese Erkenntnis kam, doch er wusste unfraglich, dass sie zutraf. Sie redet zu sich selbst. Oder nein, das stimmt so auch nicht ganz … Sie redet über uns. Über uns Überlebende. Und sie spricht zu uns beiden darüber.
»Ich weiß es nicht, Ma’am«, sagte er. »Ob es mich abhält oder nicht, meine ich. Ich würde das nicht wollen. Ich glaube auch nicht, dass es das tut. Aber ich muss zugeben, manchmal ist der Schmerz so stark, dass ich mir nicht ganz sicher bin.«
Michelle nickte bedächtig. Sie brauchte nicht Honors Empathie, um die schmerzliche Ehrlichkeit hinter dieser Antwort zu erkennen, und sie respektierte den jungen Archer dafür. Tatsächlich war sie im Grunde erstaunt, dass er diese Frage vor einer völlig Fremden so offen und ehrlich erläutern konnte.
Vielleicht hat Honor ihn richtig eingeschätzt, dachte sie und lachte innerlich auf. Wäre ja nicht das erste Mal, dass sie recht hat, oder?
»Das ist auch für mich etwas, bei dem ich mir nicht immer so sicher bin, wie ich es gern wäre, Lieutenant«, sagte sie und belohnte Offenheit mit Aufrichtigkeit. »Und leider kenne ich nur eine Methode, um es herauszufinden. Also, sagen Sie mir, sind Sie bereit, wieder in den Sattel zu steigen?«
Der junge Mann blickte sie mehrere Sekunden lang an, dann nickte er ihr genauso langsam zu, wie sie ihm zugenickt hatte.
»Jawohl, Ma’am«, sagte er. »Das bin ich.«
»Und wären Sie interessiert, es als mein Flaggleutnant zu tun?«, fragte sie. Er setzte zu einer Antwort an, doch sie hob die Hand. »Ehe Sie die Frage beantworten, sollte Ihnen klar sein, dass ich im Moment nicht einmal weiß, ob ich ein neues Kommando erhalte. Die Ärzte haben mich noch nicht wieder dienstfähig geschrieben, und wie ich höre, gibt es in der Admiralität eine lebhafte Debatte, was genau die Bedingungen meiner Freilassung erfordern. Wenn Sie also einwilligen, mein Flaggleutnant zu werden, könnte es durchaus sein, dass wir in absehbarer Zeit gar keine Pferde bekommen.«
Archer merkte, wie seine Lippen versuchten, sich zu einem Lächeln zu krümmen. »Ma’am, das betrachte ich gar nicht als großes Problem. Ich kenne die ›Bedingungen‹ Ihrer Freilassung nicht, aber es würde mich sehr überraschen, wenn die Admiralität nicht bereit wäre, bei der Auslegung sehr … kreativ vorzugehen, falls das nötig sein sollte, um Sie wieder auf ein Flaggdeck zu bekommen.«
»Offenbar haben Sie eine hohe Meinung von
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