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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Würde kennt und seinen Willen durchzusetzen weiß, zu haben pflegt. Diese Erwägungen erforderten aber keine lange Zeit; sie gingen mir blitzschnell durch den Sinn. Als meine kurze Erwiderung verklungen war, zog der Kurde die Stirn in zornige Falten und fuhr fort:
    „Maschallah! Ihr scheint sehr vornehme Leute zu sein, da du so sparsam mit den Worten des Grußes bist?“
    Er bediente sich auch jetzt der arabischen Sprache. Ich antwortete:
    „Nach deiner eigenen Sparsamkeit zu schließen, bist du nicht weniger vornehm als wir beide.“
    „Sag, wer ihr seid!“
    Das klang gebieterisch, wie aus einem Mund, welcher gewohnt ist, Befehle zu erteilen.
    „Weißt du nicht, daß derjenige, welcher schon hier war, das Recht der Frage besitzt? Der später Angekommene hat zu antworten!“
    Er drehte sich um, seinen Begleitern eine leise Bemerkung zuzuflüstern; dann wendete er sich mir wieder zu und sagte, indem ein leises Lächeln um seine vollen Lippen spielte:
    „Es kommt nicht darauf an, wer vorher und wer später kommt, sondern darauf, wer und was man ist. Der Niedrige hat dem Höherstehenden Auskunft zu erteilen. Darum werdet ihr wohl sagen müssen, wer ihr seid. Ich fordere das!“
    Er hatte das in einem so selbstbewußten Ton gesagt, daß mein Hadschi Halef, dessen Eigenheiten in dieser Beziehung man ja kennt, gar nicht darauf wartete, was ich dazu sagen würde, sondern sehr schnell und mit bekanntem Eifer das Wort ergriff:
    „Was höre ich da? Sagen müssen? Müssen, müssen? Du forderst es? Höre wohl, von fordern, fordern hast du gesprochen! Wer von jemandem etwas fordert, so gebieterisch fordert, wie du es dir erlaubst, muß höher als dieser andere stehen. Nun sage uns doch einmal, wie viel Kamelbuckel du über uns erhaben bist!“
    „Ich stehe so hoch über dir, daß ich Ehrerbietung und Gehorsam von dir verlangen kann!“
    „So? Also gleich zweierlei? Ehrerbietung und auch noch Gehorsam dazu! Also haben wir wahrscheinlich das unendliche Glück, den Padischah, unsern von Allah begnadeten Sultan und Kalifen aller Gläubigen vor uns zu sehen?“
    „Nein, der bin ich nicht.“
    „Oder den erlauchten Schah-in-Schah, den berühmten Herrscher des persischen Reiches?“
    „Nein.“
    „Vielleicht den Kaiser von Iswitschera (Schweiz), den König von Girid (Kreta) oder gar den unvergleichlichen, weltbekannten Regenten von Elpes daghlary (die Alpen) und dem großen Reiche Hyrwatlyk (Kroatien)?“
    „Auch nicht.“
    „Nicht? Sonderbar! Du tust, als ob du der größte Beherrscher der Erde seist, und bist doch nichts von alledem, was ich genannt habe! Ich sage dir aber: Selbst wenn du einer dieser hohen Männer oder wenn du sie sogar alle wärst, würdest du uns dadurch nicht die Ehrerbietung und den Gehorsam abzwingen, von denen du gesprochen hast. Mit unserer Ehrerbietung beglücken wir nur uns selbst, aber keinen andern Menschen, und nach Gehorsam suchst du bei uns überhaupt vergeblich. Wir tun stets nur, was wir wollen, und wer da glaubt, daß wir uns nach seinem Willen richten, dem beweisen wir sehr rasch, daß bei uns auf keinen Fall etwas zu wollen ist!“
    „So steht ihr also höher als der Padischah und auch höher als der Schah?“ lächelte der Kurde. „So bitte ich euch also in aller Demut und Unterwürfigkeit, uns gütigst mitzuteilen, welche überaus hohen Herren wir jetzt vor uns haben!“
    „Wir werden das nicht eher tun, als bis wir wissen, wer ihr seid.“
    „Das sagen wir nicht!“
    „So schweigen auch wir!“
    „Wir werden euch zwingen!“
    „Versucht es doch!“
    „Wir sind sechs Männer, ihr nur zwei!“
    „Und wenn ihr sechshundert oder sechstausend wäret, würden wir doch tun, was wir wollen!“
    Das ließ der Kurde ein mehr lustiges als zorniges Lachen hören, in welches seine Begleiter einstimmten. Er stieg vom Pferd, trat näher zu uns heran, die wir noch gar nicht aufgestanden waren, sondern noch immer am Boden saßen, und sagte:
    „Wir hatten hier diesen Platz zum Bleiben während der Nacht bestimmt. Ihr werdet uns Platz machen!“
    „Nein, das werden wir nicht!“ antwortete Halef.
    „Wir zwingen euch!“
    „Womit?“
    „Mit unsern Waffen.“
    „Das laßt ja in Allahs Namen bleiben! Es gibt auf der ganzen Welt keine einzige Waffe, vor welcher wir uns fürchten. Und wenn ihr jeder zehn oder noch mehr Kanonen bei euch hättet, die alle geladen wären, so würden wir doch darüber lachen!“
    „Du bist verrückt! Ich würde schon längst zornig über dich geworden sein,

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