Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
damit stand, wußte ich nicht; nach allem aber, was ich bis jetzt gehört hatte, war viel eher zu vermuten, daß er erkannt und wegen der Verleugnung seines Namens als höchst verdächtig zurückgehalten worden war. Das hatte seine Frau erfahren und war sofort ausgerückt, ihn wieder herauszuholen. Zwar kühn, aber auch zugleich echt weiblich dünkte mir das Beginnen, mit ihren Reitern in das Gebiet der Dawuhdijehs einzudringen, ohne vorher genau erfahren zu haben, wo Jamir zu finden sei. Ich interessierte mich ungeheuer für diese Frau und war nun entschlossen, mein möglichstes dazu beizutragen, sie wieder in den Besitz ihres Mannes und Kindes zu bringen. Dabei sollte sie nicht ahnen, daß ich sie erkannt hatte. Auch Halef wollte ich nichts davon sagen, denn dieser kleine, schnellfertige Mann hätte sich sehr leicht in einem Augenblick des Affekts hinreißen lassen, mit diesem Geheimnis, welches er nicht kennen sollte, herauszuplatzen. Also, jetzt war mir alles klar, und ich hatte jetzt zu diesem Unternehmen zehnmal mehr Lust als vorher. Es ist ein großer Unterschied, wenn man vor einem Wagnis steht, ob man weiß oder nicht, für wen man es unternimmt. Diese Mutter sollte ihr Kind wiederhaben!
    Wir waren wohl schon zwei Stunden unterwegs, als wir den vielen und engen Windungen eines Tales folgten, wo ich meine ganze Aufmerksamkeit zusammennehmen mußte, weil hinter jeder dieser Krümmungen eine unerfreuliche Überraschung für uns stecken konnte. Ich konnte diese meine Vorsicht nicht verheimlichen. Adsy lächelte über sie und erklärte es für sehr überflüssig und zeitraubend, bei jeder Wendung anzuhalten und nachzusehen, ob hinter derselben ein Dawuhdijeh versteckt sei. Ich nahm dies ruhig und ohne mein Verhalten zu verteidigen, hin, bis die Windungen aufhörten und das Tal eine bedeutende Strecke in fast schnurgerader Richtung verlief. Es schien am Ende dieser Geraden mit einem Seitental zusammenzutreffen, aus welchem wieder ein Wasser geflossen kam, um sich mit dem unseligen zu vereinigen. Da dort unten nichts Verdächtiges zu bemerken war, ritten wir getrost weiter und hatten die Strecke schon beinahe zurückgelegt, als ich etwas sah, was mich bewog, mein Pferd sofort zwischen die an der Seite stehenden Büsche zu lenken.
    „Hier herein! Schnell, herein; schnell!“ forderte ich die anderen auf.
    Halef, welcher meine Art und Weise kannte, folgte augenblicklich; die Kurden aber zögerten, und Adsy erkundigte sich, indem er draußen halten blieb:
    „Warum sollen wir da hinein? Sag es!“
    „Da unten kommt jemand, oder es ist schon jemand dort“, antwortete ich. „Versteckt euch rasch hierher, ehe ihr gesehen werdet!“
    Nun kamen sie, doch mit nicht allzu großer Eile. Ich vergewisserte mich, daß sie von draußen nicht gesehen werden konnten, und sagte ihnen dann:
    „Wenn ich euch so plötzlich auffordere, euch zu verstecken, so müßt ihr es, ohne zu fragen und ohne einen Augenblick zu zögern, tun. Merkt euch das!“
    „Hast du denn jemand gesehen?“ fragte Adsy.
    „Ja.“
    „Wen?“
    „Zwei Aßafir (kleine Vögel).“
    „Zwei Aßafir? Und wegen dieser kleinen Vögel sollen wir uns hier verstecken?“
    „Ja.“
    „Ich habe sie auch gesehen. Es war ein Finkenpaar, welches uns entgegengeflogen kam, aber als es uns sah, vor uns in die Bäume flüchtete.“
    „Diese Finken meine ich.“
    „Aber was gibt es da für einen Grund zu deiner großen Besorgnis?“
    „Einen sehr triftigen. Die Vögel haben mir gesagt, daß da unten wahrscheinlich Menschen sind.“
    „Maschallah! Ich habe nur ein zweimaliges, ängstliches Pink-pink gehört. Verstehst du, was die Vögel sagen?“
    Das war im Ton der Ironie gefragt; ich antwortete:
    „In diesem Fall verstehe ich es. Du brauchst nicht zu lächeln; dein Spott ist überflüssig!“
    „Ja, du lächelst!“ warf da Halef zwar leise, aber zornig ein. „Ich sage dir, wenn mein Effendi behauptet, daß er die Sprache der Vögel versteht, so sagt er die Wahrheit. Ihm sind alle Sprachen der Menschen, der Tiere und der Pflanzen offenbar, und wer darüber lächelt, der mag sich wohl vorsehen, daß er nicht dann später dafür laut ausgelacht wird!“
    Ich war abgestiegen und an den Rand des Gebüschs getreten, um hinauszusehen. Ich bemerkte noch niemand und konnte also den Kurden erklären:
    „Die Vögel kamen rechts aus dem Seitental; ich habe das gesehen, denn meine Augen sind schärfer als die eurigen, auch passe ich besser auf als ihr. Sie wollten geradeaus

Weitere Kostenlose Bücher