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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Und wer hat behauptet, daß er es erraten könne, du oder ich? Sprich also du; ich werde es bestätigen!“
    Er verdeckte mit dieser Aufforderung seine Verlegenheit. Ich, als der alte, immer gute Kerl, wollte ihn denn doch nicht so offen blamieren und erklärte darum den darauf wartenden Kurden:
    „Es unterliegt gar keinem Zweifel, besonders weil diese zwölf Späher hier vorübergekommen sind, daß die Dawuhdijehs am untern Lauf dieses Flüßchens postiert sind, und zwar muß es an einer Stelle sein, wo mehrere hundert Reiter nicht nur Platz, sich zu verstecken, sondern auch Raum zum nachherigen Angriff haben. Vielleicht ist euch ein solcher Ort, eine Verbreiterung oder Ausbuchtung des Tales bekannt?“
    „Es gibt deren nur zwei; ich kenne sie“, sagte Adsy. „Aber welche mag es sein.“
    „Das wirst du gleich erfahren.“
    „Von dir?“
    „Ja.“
    „Der du hier unbekannt bist?“
    „Trotzdem!“
    „Effendi, bist du denn allwissend?“
    „Nein; ich denke bloß nach, was du ebensogut wie ich tun könntest. Gibst du zu, daß die zwölf Späher, welche wir jetzt gesehen haben, heut von der Stelle fortgeritten sind, an welcher die eigentliche Schar der Dawuhdijehs auf eure Ankunft wartet?“
    „Ja, denn anders ist es nicht.“
    „Hast du den El Chilel-Strauß (Steinklee) gesehen, den der Voranreitende vorn an seinem Turban stecken hatte?“
    „Ja. Kennst du die Bedeutung dieses Straußes?“
    „Ich kenne sie. Es ist ein Aberglaube.“
    „Nein, es ist kein Aberglaube, sondern es trifft wirklich zu; ich habe es oft selbst erfahren. Wer etwas unternehmen will, der muß einen Strauß von El Chilel bei sich tragen; dann gelingt sein Vorhaben, denn die Geister, welche El Chilel lieben, helfen ihm!“
    „So? Dann sag doch einmal, warum er heut so einen Strauß angesteckt hat!“
    „Daß sein Spähen gegen uns gelingen möge.“
    „Glaubst du, daß es gelingt?“
    „Nein; er wird mit seinen Leuten unbedingt von meinen Kriegern gefangengenommen.“
    „Wird El Chilel also helfen?“
    „Nein. Effendi, mit dir darf man sich nicht streiten!“
    „Schön, daß du das einsiehst; merke es dir!“
    „Warum sprichst du überhaupt von diesem Strauß?“
    „Das wirst du gleich erfahren. Es kommt darauf an, ob ich diesen Aberglauben richtig kenne. Wann muß die Pflanze El Chilel gepflückt werden?“
    „Beim Beginn dessen, was man tun will, nicht eher.“
    „So habe ich es richtig gewußt. Wann wird dieser Dawuhdijeh also den Strauß gepflückt haben?“
    „Ganz kurz vor seinem Aufbruche.“
    „So ist das Alter des Straußes also grad so groß wie die Dauer des Rittes?“
    „Ja.“
    „So will ich dir sagen, daß diese Pflanzen El Chilel vor ungefähr drei Stunden gepflückt worden sind, nicht viel eher, aber auch wohl nicht später.“
    „Woher weißt du das?“
    „Ich sehe es. Ich besitze darin Übung, denn ich habe unzähligemal aus der Beschaffenheit eines geknickten Ästchens, eines zertretenen Grases oder einer welkenden Pflanze die Zeit bestimmen müssen, vor welcher diese Pflanze geknickt, gepflückt oder niedergetreten worden ist. Ich weiß gewiß, daß ich mich auch jetzt nicht irre. Diese Dawuhdijehs haben ihren Ritt vor drei Stunden begonnen, und man kann also die Stelle, an welcher eure Gegner lagern, in genau dieser Zeit erreichen, wenn man so langsam, wie sie geritten sind, hier an diesem Wasser immer abwärts reitet.“
    „Das stimmt, Effendi, das stimmt zum Verwundern! Dort liegt der erste der beiden Plätze, von denen ich sprach. Das Tal macht links einen Bogen, während die rechte Wand desselben geradeaus streicht. Dieser El Chilel hat dir die Wahrheit gesagt. Ich sehe ein, daß es gut ist, dich immer zu fragen, ehe man etwas unternimmt!“
    Da rief Halef, schnell fragend:
    „Will sich vielleicht wieder jemand räuspern?“
    Um den Eindruck dieser Ironie des Kleinen nicht aufkommen zu lassen, fiel ich rasch ein:
    „Ihr lachtet vorhin über meine Vorsicht, die ihr für überflüssig hieltet. Jetzt aber gebt ihr wohl zu, daß sie notwendig war?“
    „Ja, Effendi“, antwortete Adsy. „Ohne dich wären wir diesen zwölf Dawuhdijehs in die Hände geritten, und es wäre ein Kampf unvermeidlich gewesen.“
    „Das war mein Beachten des Vogelflugs. Und was mir der Strauß verraten hat, hast du auch gehört. So muß man, wenn man sich auf Kundschaft oder überhaupt unterwegs befindet, auf alles achten. Die geringste Kleinigkeit kann den Tod bringen oder vom Tod erretten. Jetzt möchte ich vor

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