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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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fliegen, an unserem Tal vorüber, machten aber eine plötzliche, scharfe Schwenkung nach links, zu uns herein. Sag doch einmal, Adsy, sind sie bis zu uns gekommen?“
    „Nein“, antwortete er, den ich jetzt noch als Mann bezeichnen will, weil er als solcher vor uns gelten wollte.
    „Warum nicht?“
    „Weil sie uns sahen und darum zwischen die Bäume flüchteten.“
    „Also, weil sie uns gesehen haben, sind sie auf die Seite geflüchtet?“
    „Ja.“
    „Nun, was folgt aus diesem Grund daraus, daß sie da unten plötzlich auf die Seite nach uns flüchteten?“
    „Daß sie – – – ah, meinst du etwa, daß sie dort auch jemanden gesehen haben?“
    „Ja, das meine ich. Wenn ein Vogel seinen geraden Flug so plötzlich unterbricht, daß aus seiner Bahn ein scharfer Winkel wird, so kannst du fast mit Sicherheit daraus schließen, daß er das aus Angst, aus Schreck getan hat. Die Finken sind auf Menschen getroffen, du magst es glauben oder nicht!“
    „Effendi, wenn das wahr wäre, so hätte man uns von dir nicht zu viel erzählt!“
    „Es ist wahr. Übrigens gibt es da gar keinen Grund zur Bewunderung, denn es gehört nichts als ein wenig Nachdenken dazu, von dem Verhalten der Vögel auf die Anwesenheit von Menschen zu schließen. Jetzt paßt auf! Steigt ab, und haltet euern Pferden die Mäuler zu! Ich sehe sie; sie kommen hier vorüber!“
    Es erschienen jetzt unten an der Mündung zwölf kurdische Reiter, welche zu zweien oder dreien nebeneinander ritten und am Wasser herauf, also auf uns zu, kamen. Sie sprachen so laut miteinander, daß wir ihre Stimmen schon von weitem hörten.
    Nun befolgten unsere Reiter allerdings schnell meine Anweisung. Wir waren draußen auf Steingeröll geritten und hatten also keine bedeutenden Spuren gemacht. Ein Indianer hätte sie freilich sogleich bemerkt; von diesen Kurden brauchte ich das aber nicht zu befürchten. Sie kamen ganz langsam und gemächlich herbei, als ob sie sehr viel Zeit hätten, und ritten ebenso langsam vorüber, ohne uns zu bemerken. Ich horchte aufmerksam auf das, was sie sprachen, hörte aber nichts, was von Bedeutung zu sein schien. Als das Pferd des Voranreitenden einige rasche Schritte machte, rief einer der ihm folgenden halb im Scherze:
    „Ahdele mehke!“
    Das heißt auf deutsch: ‚Übereile dich nicht!‘ Hieraus war, wie überhaupt aus ihrer Langsamkeit, zu schließen, daß sie ihren Ritt für keinen hielten, bei dem Schnelligkeit vonnöten war. Dann hörte ich etwas vom Avik eduduahn, vom ‚zweiten Bach‘ oder vom ‚zweiten Wasser‘ sagen und auch von einem Moda gumgumuk, was eine Stelle bedeutet, wo es Eidechsen gibt. Das waren für mich ganz unwichtige Worte, welche ich aus dem lauten Wortschwall ihrer in mehreren Gruppen geführten Unterhaltung herausgehört hatte und für vollständig wertlos hielt. Aber als sie vorüber waren und ich Adsy fragte, ob es Dawuhdijeh-Kurden gewesen seien, antwortete er:
    „Ja, es waren welche, und, Effendi, sie reiten nach der Stelle, wo wir geschlafen haben und wo sich meine Krieger jetzt befinden.“
    „Woher weißt du das?“
    „Sie sprachen davon; sie nannten den Namen dieser Stelle: Moda gumgumuk. Höchstwahrscheinlich wollen sie sich dort verstecken, um aufzupassen, wenn wir kommen, und dann ihren Scheik davon benachrichtigen!“
    „Ah! Siehst du, daß ich ganz richtig vermutet habe? Sie sind überzeugt, daß ihr kommt. Hoffentlich passen deine Leute auf und fangen sie weg!“
    „Das werden sie gewiß tun. Ich bin überzeugt davon. Wüßte man nur, wo nun die eigentliche Schar der Dawuhdijehs steht, die ganz gewiß nun auf uns wartet, um über uns herzufallen!“
    „Wir würden den betreffenden Ort bald finden, doch kann es nicht unsere Absicht sein, ihn zu suchen, da wir vor allen Dingen nach dem Kulluk wollen.“
    „Könntest du den Ort vielleicht erraten?“
    „Ja.“
    „Ohne daß du schon in dieser Gegend gewesen bist?“
    „Ja.“
    „Effendi, ich staune!“
    „Da brauchst du gar nicht zu staunen!“ bemerkte Halef in sehr hohem Tone. „Bei der ungeheuren Länge des Verstandes, den mein Sihdi besitzt, und bei der unendlichen Breite des meinigen müssen uns alle Dinge offenbar werden, welche für andere Leute ein ewiges und unentdeckbares Geheimnis bleiben!“
    „Wenn du es auch weißt, so sag es!“ forderte ich ihn auf, um ihn für seine Großsprecherei zu strafen.
    Da machte er mit den Händen eine wegwerfende Bewegung und antwortete:
    „Wer ist gefragt worden, du oder ich?

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