21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
Seele meines Lebens, versprochen hast, das hast du, aber nicht ich ihr zu halten. Erfülle ihr ihren Wunsch, indem du mich nicht mitnimmst! Ich aber laufe hinter dir her, denn ich sehe wirklich nicht ein, weshalb ich hier allein liegen bleiben soll!“
„Es ist möglich, daß ich mich Gefahren aussetzen muß, welche dir – – –“
„Gefahren aussetzen? Du?“ unterbrach er mich wieder. „Und da mutest du mir zu, dich ohne die Stärke meines Schutzes zu lassen? Mutest du das mir wirklich zu, Effendi?“
„Ja.“
„So sage ich dir, daß ich mit dir gehen und dich nicht verlassen werde, selbst wenn zehntausend Teufel ihre Krallen nach dir ausstrecken!“
Da er so fest auf seinem Vorsatz bestand, mußte ich mit der Wahrheit heraus:
„Ich bitte dich dennoch, hier zu bleiben, denn dein Mut ist mir zu flink! Du weißt von früher her, daß du zu Unvorsichtigkeiten geneigt bist, welche uns zuweilen großen Schaden bereitet haben. Es ist jedenfalls besser und gewährt uns mehr Sicherheit, wenn ich den jetzigen Gang allein unternehme.“
„O Sihdi, Sihdi, welche tiefe Betrübnis bringst du über meine Seele! Was geschehen ist, das ist vorüber, und ich bin längst nicht mehr der Sausewind, den du meinst, sondern der bedachtsame und kluge Oberscheik der Haddedihn vom Stamm der Schammar. Wenn du mich so schwer und bitter kränken willst, so tue es; ich aber behalte dich dennoch lieb und kenne meine Pflicht, welche mir gebietet, dir in jeder Gefahr treu zur Seite zu stehen. Ich werde sie erfüllen und, wenn du mich nicht mitnimmst, hinter dir herlaufen wie ein Hund, der seinen Herrn beschützt, obgleich er Schläge von ihm bekommen hat!“
Was konnte ich da machen? Ich mußte ihm seinen Willen tun, denn er war wirklich imstande, seinen Vorsatz auszuführen und mir ohne meine Erlaubnis zu folgen. Darum sagte ich:
„Da du in dieser Weise darauf bestehst, will ich nicht länger widerstreben und wünsche nur, daß du mir keine Veranlassung zu Vorwürfen gibst. Komm, wir wollen unsere Gewehre zu den Pferden schaffen!“
„Warum das?“
„Wenn man sich anzuschleichen hat, darf man sich nicht mit langen, schweren Waffen abschleppen. Wärest du hier geblieben, so hätte ich dir meine Gewehre gegeben; da du aber darauf bestehst, mitzugehen, müssen wir sie verstecken.“
„Das können wir doch hier tun!“
„Nein. Wir wissen nicht, was geschieht, und müssen unsere Sachen an einer Stelle beisammen haben. Komm; wir nehmen auch die Decken mit!“
Er sah die Notwendigkeit dieser Maßregel nicht ein; ich aber gehorchte dem Gebot der Vorsicht, gegen welches ich nie zu handeln pflege, und es sollte sich leider später herausstellen, daß ich sehr wohl daran getan hatte.
Nachdem wir also wieder hinauf zu den Pferden gestiegen waren, diese fester angepflockt und die in die Decken gewickelten Gewehre in das Geröll versteckt hatten, machten wir uns auf den Weg, den geheimnisvollen Leuten, welche an uns vorübergegangen waren, zu folgen.
Das war nicht leicht, weil seitdem gewiß eine Viertelstunde vergangen war und wir ihre Schritte also längst nicht mehr hören konnten. Glücklicherweise wurde das, was sich unsern Ohren entzogen hatte, unsern Augen bemerkbar gemacht, denn wir waren der Richtung, welche wir einzuschlagen hatten, noch gar nicht lange gefolgt, so sahen wir, indem wir um eine Biegung der Ruine schwenkten, in nicht sehr großer Entfernung einige Feuer vor uns leuchten, und zugleich drang in unsere Nasen ein Gestank, der so unbeschreiblich und dabei scharf und stechend war, daß wir, fast zurückprallend, stehenblieben.
„Allah behüte uns vor dem neunmal geschwänzten Teufel!“ klagte Halef. „O Mohammed, o ihr heiligen Kalifen alle, o ihr Ahnen und Urahnen aller Gerechten und Frommen, die auf Erden leben, welche Qualen der Hölle und welche Leiden der Verdammnis erwarten uns, wenn wir dorthin müssen, wo diese Feuer der Vernichtung meiner Nase brennen! Müssen wir denn wirklich hin, Sihdi, wirklich?“
„Du nicht, aber ich!“
„So gehe ich auch, und wenn ich tausendmal daran erstickte! Zwar wird mich meine Nase dereinst, wenn ich Rechenschaft abzulegen habe, wegen ihres gewaltsamen Untergangs verklagen, und ich werde diesen Mord an ihr sehr schwer zu büßen haben, aber wenn du vorwärts gehst, so kann ich doch unmöglich stehenbleiben! Was mögen diese Unglückseligen dort wohl brennen?“
„Ich vermute, daß sie die Feuer mit den Umhüllungen der Leichen, also mit den Särgen und den
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