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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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halt! Nimm mich mit, nimm mich mit! Ich bleibe nicht hier; ich bleibe ganz gewiß nicht hier!“
    „Nein, nimm du mich mit; du bist mir ja voran!“ antwortete ich lachend, indem ich ihm nachkletterte.
    Als ich ihn einholte, stand er, an allen Gliedern zitternd, da, klopfte sich den Staub aus dem Gewand und jammerte:
    „Das war ein fürchterlicher, ein entsetzlicher Sprung, mit dem Kopf voran! Ich werde so etwas nie wieder wagen! Du konntest mich doch herunterheben! Ich habe an jeder Stelle meines Leibes das Gefühl, als ob ich die Bastonade bekommen hätte!“
    „Sei froh, daß du deine Freiheit nicht teurer, als mit nur diesem edlen Gefühl zu bezahlen hast! Bist du ein guter Reiter?“
    „Es sollte niemand wagen, zu bestreiten, daß ich vortrefflich reite!“
    „Das ist gut, denn wir reiten sofort nach Hilleh.“
    „Dazu gehören Pferde!“
    „Die habe ich. Sie sind hier in der Nähe versteckt. In einer Stunde müssen wir dort sein.“
    „Man reitet doch drei Stunden! Warum so schnell?“
    „Weil wir längst vor Tagesanbruch wieder hier sein müssen.“
    „Wieder hier? Ich sage dir, daß mich keine Macht der Erde wieder hierherbringen wird!“
    „Darüber wollen wir später sprechen. Jetzt komm!“
    „Was willst du mitten in der Nacht in Hilleh?“
    „Wir holen Militär und nehmen den Säfir und alle seine Schurken gefangen.“
    „Allah sei Dank! Dieser Gedanke ist groß, ist vortrefflich! Wenn Soldaten dabei sind, so reite ich auch wieder mit.“
    „So komm!“
    Wir stiegen vollends hinab. Als wir die Trümmer hinter uns hatten, blieb ich lauschend stehen. Es war nichts zu sehen und nichts zu hören. Wir wendeten uns nach rechts und hatten nach fünf Minuten die Stelle erreicht, wo die Pferde standen. Ich nahm meine Waffen, gab dem Perser diejenigen des Hadschi, und dann stiegen wir auf, um den alten Birs Nimrud auf baldiges Wiedersehen zu verlassen.
    Da ich den Weg kannte, so durften wir es wagen, trotz der Dunkelheit Galopp zu reiten. Wir mußten das, weil wirklich keine Zeit zu verlieren war.
    Zunächst lenkte ich auf den Weg hinüber, welcher von Hilleh nach den Hügeln Chidr und Delem führt, und als wir ihn erreicht hatten, rief ich den Pferden ein aufmunterndes „Chabab“ (‚Galopp‘) zu, worauf sie in vollem, schlankem Lauf über das ebene und ganz hindernislose Terrain flogen. Dabei stellte sich nun freilich heraus, daß der Kammerherr keineswegs der vortreffliche Reiter war, für den er sich ausgegeben hatte. Ich hätte, wenn es Tag gewesen wäre, bei diesem Ritt eine Nähnadel einfädeln können, ohne das Öhr zu verfehlen, so wunderbar ‚chatt‘ (in einem Striche, einer Linie) gingen die Rappen, wie der Beduine sich auszudrücken pflegt; er aber stopfte im Sattel auf und nieder wie ein im Gang befindlicher Spritzenkolben und rief mir ängstlich zu:
    „Wakkif, wakkif – halt an, halt an! Das ist mir zu schnell!“
    „Mir nicht!“ erwiderte ich.
    „Amma ana dochan – aber mir schwindelt; ich bekomme den Zoba'a (Wirbelwind), das Ashub-i dil-i därya (‚Erbrechen des Meeres‘, Seekrankheit). Ich falle herunter!“
    „So halte dich fest! Wir können nicht langsamer reiten. Gib mir die Zügel!“
    Er brachte es nicht fertig, sie mir herüberzureichen; ich langte hinüber und nahm sie ihm aus der Hand. Nun klammerte er sich an den Sattelknopf an, und unter immerwährendem Ach und Oh ging es weiter. Ich erlaubte den Pferden nur zweimal, langsamer zu gehen, und so kam es, daß wir in noch nicht ganz einer Stunde die ersten Gebäude von Hilleh vor uns liegen sahen. Da ich das sogenannte Serai (Palast) des Sandschaki kannte, wurde es mir nicht schwer, es zu finden. Ich hatte geglaubt, wegen der nächtlichen Stunde an dem Tor klopfen zu müssen; aber es stand weit offen, und als wir in den Hof ritten, sah ich, daß der Eingang zur Wohnung des Beamten erleuchtet war. Wir ritten hin und stiegen ab. Es stand ein Doppelposten, den ich am Tag nicht gesehen hatte, vor der Tür.
    „Ist der Sandschaki wach?“ fragte ich.
    „Ja“, antwortete der eine Soldat.
    „Wir müssen sofort zu ihm. Haltet unsere Pferde!“
    „Wir dürfen niemand einlassen.“
    „Warum?“
    „Es ist ein Offizier, ein Abgesandter des Padischah, den Allah segnen möge, von Stambul angekommen; der hat mit ihm zu sprechen und darf nicht gestört werden.“
    „Wir müssen dennoch zu ihm. Hier habt Ihr, um Euern guten Willen zu erleuchten!“
    Ich drückte ihm einige Silberstücke in die Hand; er hielt sie in den

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