2110 - Der Gute Geist von Wassermal
hatte. In Zähigkeit und Kondition war er mir überlegen.
Du kannst es ausgleichen!, raunte mein Extrasinn. Jetzt!
Ich stutzte. Dann begriff ich und lief zurück. Ich hätte selbst darauf kommen müssen, war aber immer noch zu stark von Fairness gelenkt, eine Folge meiner Erziehung.
Rasch packte ich alle übrigen fünf Lampen und eilte wieder tiefer in den Stollen. Nach ungefähr dreißig Metern kam ich zu einem senkrecht abfallenden Schacht, in den eine schmale Leiter aus Metall abgesenkt worden war. Ohne zu zögern, schwang ich mich auf eine der ersten Sprossen und begann mit dem Abstieg.
Er war schwieriger als gedacht, denn die Holme und Sprossen der Leiter waren mit klatschnassem, tonigem Mineral verschmiert, so dass ich mich nur mit Mühe halten konnte. Außerdem wurde ich dadurch behindert, dass ich sechs Lampen trug, von denen eine brannte - und an der ich mir die Finger verbrennen würde, wenn ich mich nicht sehr vorsah.
Und ich konnte nicht bis zum Ende der Leiter hinuntersehen, sondern höchstens drei Meter tief. Zudem hörte ich über mir Schritte und Flüche.
Sershan hatte die Feuerzeuge entdeckt und sich denken können, dass ich die dazugehörigen Lampen mitgenommen hatte.
Nachdem ich die letzten Sprossen mehr hinabgerutscht als -gestiegen war, musste ich mich von der Sohle des Schachtes in einen Stollen zwängen, dessen Felswände so eng zusammenrückten, dass ich nur seitwärts hindurchschlüpfen konnte und mir immer wieder den Kopf anstieß.
Ich war froh, als sich der Stollen zu einem Absatz weitete. Allerdings mit einer Schachtmündung, aus der die beiden obersten Sprossen der nächsten Leiter ragten.
Und hinter mir hörte ich einen dumpfen Schlag, gefolgt von einem Schmerzensschrei, als Sershan sich den Schädel anstieß!
Diesmal rutschte ich auf der dritten Sprosse von oben so heftig aus, dass ich absolut keinen Halt mehr fand und ungefähr sechs Meter tief sowohl auf dem Bauch als auch auf Händen und Füßen schlitterte. Ich war vorn bereits völlig von glitschigem Schlamm verschmiert.
Der nächste Stollen war breit genug, so dass ich normal in ihm gehen konnte. Allerdings wurde ich durch das ungenügende, flackernde Licht der Öllampe gebremst. Ich hütete mich jedenfalls davor, ohne ausreichende Sicht vorwärts zu stürmen.
Nach einer Biegung machte sich meine Vorsicht bezahlt, denn plötzlich klaffte an der linken Seite des nächsten Stollens ein Spalt von etwa einem viertel Meter Breite.
Die Tiefe ließ sich nur abschätzen, denn als ich die Lampe darüber hielt, konnte ich keinen Grund entdecken, so weit das Licht reichte.
Das bewog mich dazu, etwas loszuwerden, was mich erheblich behinderte: die fünf überzähligen Lampen.
Ich ließ sie in den Abgrund fallen - und hatte bis sieben gezählt, als ich sie aufschlagen hörte.
Im nächsten Augenblick wurde mir klar, dass ich zu viel Zeit vergeudet hatte.
Sershan holte mich ein.
Als er schemenhaft neben mir auftauchte, ging ich in Abwehrstellung, bereit, ihn mit einem Dagorgriff außer Gefecht zu setzen.
Doch Sershan griff nicht an, sondern wich blitzschnell nach links aus, um mich zu überholen. Genau an der fast rechtwinkligen Biegung!
Als er um sie herumstürmte, war er so in Rage, dass er nicht mehr abstoppen konnte, als sich der Abgrund vor ihm öffnete.
Mit einem erstickten Schrei stürzte er wie ein Stein in die Tiefe - das heißt, er wäre in die Tiefe gestürzt, hätte ich ihn nicht mit einer Hand am Gürtel gepackt und zurückgerissen. Während er auf die sichere Seite des Stollens taumelte, ließ ich ihn wieder los und lehnte mich schwer atmend an die Felswand.
Ich nannte mich selbst einen Idioten.
Wieso hatte ich ihn gerettet? Jetzt gewann er deswegen womöglich den Wettlauf zu Tagira. Aber natürlich war es eine instinktive Reaktion gewesen, eine Affekthandlung zum Guten sozusagen.
Die Quittung bekam ich umgehend: Sershans Faust knallte auf meinen Solarplexus - und ich sackte haltlos zusammen.
In mir stieg heiße Wut auf. Das war der Dank dafür, dass ich den Krieger gerettet hatte. Aber dadurch gab es jetzt klare Verhältnisse: Bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit würde ich ihn umbringen.
*
Ich erholte mich relativ schnell wieder und eilte weiter. Allerdings langsamer, denn meine Beine wollten mir nicht richtig gehorchen.
Irgendwo vor mir polterte etwas, dann schrie Sershan. Es war ein Schmerzensschrei. Anscheinend war er im Dunkeln gegen ein Hindernis gerannt. Warum hatte er mir nicht
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