2110 - Der Gute Geist von Wassermal
mich und wollte nach oben. Stattdessen geriet ich tiefer. Ich schluckte Wasser.
Meine Luftröhre machte zu.
Das war das Ende. Ich würde zwar nicht ertrinken, aber ersticken.
Mein Bewusstsein wurde von bunten Bildern überflutet - und vor meinem geistigen Auge tauchte ein Tunnel auf, dessen Wände in den herrlichsten Farben leuchteten. An seinem Ende war ein helles, glückverheißendes Licht.
Tunnel und Licht verschwanden abrupt, als ich gewaltsam aus dem Wasser gedrückt wurde. Meine Luftröhre machte wieder auf. Ich rang röchelnd nach Atem.
Als ich wieder halbwegs denken konnte, war meine erste Vermutung, Atlan hätte mich aus dem Wasser gezogen.
Aber dann erkannte ich die Wahrheit.
Es war eine dieser Panzerechsen, sogar ein besonders großes Exemplar, das sich auf mich gestürzt hatte und mich in den nächsten Sekunden mit seinen furchtbaren Zähnen zermalmen würde.
Und ich besaß nicht einmal ein Messer, mit dem ich mich wehren konnte. Ich, ein Krieger, kampferprobt in tausend Schlachten, war hilflos dem mörderischen Gebiss eines Untiers ausgeliefert.
Ich schrie zornig und hieb mit den Fäusten auf die dicke Panzerhaut der Raubechse ein. Sie blieb völlig unbeeindruckt. Zwar schlug sie mit dem Schwanz, aber das diente nur der Fortbewegung, wie ich bemerkte.
Warum drehte sie sich nicht um, um mich zu packen? Ich lag auf ihrem Rücken, wo sie weder mit Klauen noch Zähnen hinkam. Stattdessen bewegte sie sich wie ein Boot durchs Wasser - geradewegs auf das gegenüberliegende Ufer zu.
Ich hörte auf zu schreien, als ich begriff. Das Tier wollte mich nicht töten.
Es hatte mich vor dem Ertrinken gerettet und brachte mich ans Ufer.
Als ich jemanden fluchen hörte, wandte ich den Kopf zur Seite - und sah Atlan, der mit einem anderen Wassergleiter an mir vorbeifuhr.
„Warum frisst du ihn nicht, du dummes Tier?", verstand ich.
Jetzt wusste ich auch, wer vorhin triumphierend gelacht hatte. Es war der Arkonide gewesen, der geglaubt hatte, ich würde ertrinken oder gefressen werden.
Und jetzt überholte er mich, denn sein Gleiter war viel schneller als „meine" Panzerechse.
Ich klammerte mich an ein paar vorstehende Hornschuppen des Tieres und legte den Kopf in den Nacken.
Sehnsuchtsvoll blickte ich hinauf zu dem wolkenverhangenen Berggipfel.
Und sah, wie die Wolkenschleier wegtrieben und die Türme, Mauern und Zinnen einer Burg aus blankem Silber freigaben.
Tagiras Burg!
Ich schüttelte die Faust in die Richtung, in der der Arkonide soeben von seinem Gleiter an Land sprang.
„Noch hast du nicht gewonnen!", schrie ich ihm hinterher.
8.
Auge um Auge Ich fluchte erbittert, als ich sah, dass Sershan weder ertrunken war noch von einer Panzerechse zerfleischt wurde - sondern im Gegenteil dem Tier sein Leben verdankte.
Doch es hatte ihn nicht nur vor dem Ertrinken bewahrt, sondern spielte auch noch Flussfähre und würde ihn ans gegenüberliegende Ufer bringen.
Aber immerhin: Mit meinem Wassergleiter war ich schneller als mein Feind auf dem Krokodil.
Ich resümierte die Ereignisse der letzten halben Stunde, in der meine durch den Extrasinn aufgestockte Intelligenz über die Verschlagenheit, Schnelligkeit und größere Kraft des Kriegers triumphiert hatte.
Schneller als gedacht war ich auf einen zweiten Durchgang gestoßen, hatte das Schott geöffnet und hatte zu meiner Überraschung jenseits der Mauer eine große Ansammlung gläserner Gebäude gefunden.
Auf der einzigen Straße davor hatten zwergenhafte, gelbhäutige Humanoide aus primitiven Karren Pakete ausgeladen und in die Häuser transportiert. Hinter den Häusern dehnte sich anscheinend freies Gelände - und danach setzte sich der Berghang fort bis zum dunstverhangenen Gipfel, wo sich das Ziel meiner Wünsche befand, wie ich hoffte.
Da es zwischen den Gebäuden weder Straßen noch Gassen gab, würde ich eines durchqueren müssen.
Aber der erste Versuch schlug fehl. Die Zwerge ballten sich dermaßen dicht vor mir zusammen, dass an ein Durchkommen nicht zu denken war.
Schon wollte ich Gewalt anwenden - mit sehr fraglichem Erfolg, da meldete sich der Logiksektor meines Extrasinns und riet mir, mich wie einer dieser Zwerge zu benehmen, sprich: mir ein Paket zu greifen und es in eines der Häuser zu tragen.
Der Extrasinn hatte also doch nicht ganz auf stur geschaltet. Er half mir, wenn er es für nötig hielt. Und selbstverständlich hielt er es für nötig, dass ich den Kampf um Tagira gewann, denn er war schließlich ich und ich
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