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2112 - Verschollen in Tradom

Titel: 2112 - Verschollen in Tradom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Landesherrn war.
    „Du bist Pfeifer", sagte er. „Wenn ich komme und dich frage, wer du bist, pfeifst du. Wer bist du?"
    „Ikanema Two", sagte ich.
    Er schüttete den Inhalt der kleinen Schüssel in den Bottich zurück und ging weiter.
    Die Vögel schwiegen irgendwann, doch der Kasate kam immer wieder. Jedes Mal stellte er mir dieselbe Frage. Jedes Mal gab ich dieselbe Antwort.
    Ich hatte schon längst jedes Zeitgefühl verloren. War er erst vor zehn Minuten gekommen oder vor einem Tag? Manchmal kam er dreimal unmittelbar hintereinander, manchmal blieb er stundenlang fort.
    Durst und Hunger wühlten schließlich so brennend in meinen Eingeweiden, dass mir das Feuer der Paralyse dagegen wie ein wärmender Hauch vorkam.
    Sie sperren dich hier ein, um deinen geistigen Widerstand zu brechen, dachte ich irgendwann. Aber sie haben so viele Gefangene genommen, dass sie sich nicht intensiv um alle kümmern können. Sie werden mit einer Geste zufrieden sein. Du kannst dich ruhig zu dieser kleinen Geste hinreißen lassen ...
    Ich ließ mich nicht dazu hinreißen. Ich wusste, dann würde ich sterben. Vielleicht nicht körperlich, aber geistig.
    Doch irgendwann waren Durst und Hunger so groß, dass ich von der ekligen braunen Flüssigkeit trank.
    Und als der Kasate danach wieder mit seinem Antigravwagen kam, pfiff ich.
     
    *
     
    Ich bekam nichts von der Substanz in dem Bottich zu essen. Der Kasate erzeugte mit seinen Hornplatten ein lautes Knirschen, und plötzlich standen zwei Quintanen neben ihm. Mir wurde klar, dass sie ihn jedes Mal begleitet und nur auf sein Zeichen gewartet hatten.
    Sie richteten ein kleines Handgerät auf mich, und ein energetisches Fesselfeld schmiegte sich hauteng um meinen Körper. Die Insektoiden bedienten das Gerät, und meine Glieder setzten sich in Bewegung, ohne dass ich etwas dazu getan hätte.
    Mit unnatürlich steifen Schritten folgte ich meinen drei Peinigern durch enge, dunkle graue Gänge.
    Ich wusste nicht, wo ich war. Ich war am Boden zerstört. Ich hatte vielleicht Wochen, vielleicht auch nur Stunden in diesem finsteren Verlies vegetiert. Und selbst wenn mein Wille noch nicht gebrochen sein sollte, mein Körper konnte dem energetischen Feld keinen Widerstand leisten.
    Sie führten mich in einen Raum, der mich an ein Labor in der Zitadelle meines Eiters erinnerte. Ich versuchte, mich zu wehren, doch es war sinnlos. Das Fesselfeld zwang mich auf eine Pritsche aus kaltem, glänzendem Metall und hielt mich darauf fest.
    Der Kasate drehte sich zu mir um. Seine Bewegungen wirkten unnatürlich geschmeidig, so elegant, dass sie für zweigeschlechtliche Wesen durchaus eine erotische Wirkung haben mochten.
    Aber nicht für mich.
    „Ich bin Deuter Reimer", sagte der Kasate. „So wirst du mich zumindest anreden, auch wenn das nicht mein richtiger Name ist. Ich deute nämlich die Angst auf deinem Gesicht, und dann schreibe ich Reime darüber."
    Ich versuchte, gegen das Fesselfeld anzukämpfen, das meinen gesamten Körper umschmiegte, aber es war sinnlos. Energetische Klammern konnte man nicht dehnen oder lockern. Solange es nicht zu einem Energieausfall kam, würde ich hier liegen, ohne auch nur einen Arm, ein Bein rühren zu können.
    „Wenn du willst, darfst du mich auch Deutler nennen", fuhr der Aufseher fort, während er mir den Rücken zudrehte. Ich konnte nicht sehen, was er auf der Arbeitsfläche hantierte. „Du weißt, was ein Deutler ist? Jemand, der etwas spitzfindig auslegt. Denn das ist sehr wichtig für mich. Ich muss spitzfindig sein, um die Nuancen der Angst und der Panik auf deinem Gesicht adäquat beschreiben zu können.
    Denn die Furcht ist sehr vielschichtig, weißt du?"
    Mir war klar, warum dieser spitzfindige Dichterling seinen richtigen Namen verschwieg. In unserer Situation hatten Namen eine gewisse Macht. Er wusste viel oder alles über mich, zumindest wohl das, was die Datenbänke der AUGENSTERN enthalten hatten, und das war nicht wenig.
    Ich hingegen wusste nichts über ihn. Er gefiel sich darin, unfassbar zu bleiben, wollte mich verunsichern, indem er seine wahre Identität verbarg. Ich kannte noch nicht einmal seinen Namen, hatte nicht einmal über diese bescheidenste aller konventionellen Gepflogenheiten Zugang zu ihm. Er stand zwar vor mir, hatte mich in seiner Gewalt, doch er blieb für mich eine im Prinzip unbekannte Erscheinung im Hintergrund.
    Das Spiel, das wir trieben - nein, es war kein Spiel, es war der Versuch, mich geistig zu brechen -, wurde schon auf

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