2118 - Quintatha
schlechten Handwerker, der die in der Schlachtfabrik erworbenen Fischhäute grob und lieblos zusammennähte.
Dann ging es zu einem schmierigen Schuster, der mir ein Paar harter, quietschender Schuhe verpasste.
Einer war mir zu klein, der andere zu groß; bald hatte ich an beiden Füßen Blasen.
Doch was noch viel unangenehmer war - ihre Sohlen schienen so fest auf den Eisenplanken zu kleben, dass ich bei jedem Schritt Gefahr lief, auf meine Nase zu fallen.
„Das gibt sich bald, Kleiner", tröstete mich Aufmar, der sich das Lachen kaum verbeißen konnte, und bot mir eines der klebrigen Bonbons an, die alle Barkner so liebten. Ich lehnte dankend ab: Beim ersten Versuch mit dieser Süßigkeit hatte ich stundenlang gebangt, ob ich meine Kiefer jemals wieder auseinander bringen würde.
Der Steuermann begleitete mich auch tags darauf zum Schulschiff. „Es ist natürlich keine der guten, teuren Schulen. Du kennst ja die sprichwörtliche Freigebigkeit unseres Kapitäns", sagte er entschuldigend, als wir uns vor der Zugbrücke verabschiedeten.
Die Zugbrücke wurde jeden Morgen nach Unterrichtsbeginn hochgezogen und erst am Abend wieder hinuntergelassen. Einen anderen Zu- oder Ausgang gab es nicht, auch keine Möglichkeit, an Deck zu gelangen, nicht einmal Fensteröffnungen, die breiter als fünfzehn Zentimeter gewesen wären.
Wir waren den Lehrern auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Und das ließen sie uns spüren.
Wie gesagt, ich wurde vollkommen gleich behandelt wie alle anderen auch: wie ein Stück Dreck.
Wurde beschimpft, angebrüllt, wegen jeder Kleinigkeit geschlagen. Mit der Faust, dem Lineal, der Peitsche.
Meine Mitschüler ließen diese Misshandlungen völlig ungerührt über sich ergehen. Die waren allerdings, obzwar im Durchschnitt kleiner, viel robuster gebaut als ich. Ein Faktum, das ich, nebenbei bemerkt, auch bei gelegentlichen Raufereien, für die nicht selten eine unbedachte Geste von mir der Auslöser war, schmerzlich zu spüren bekam.
Als zweite Überraschung stellte sich im Verlauf dieser, nun ja, Sozialkontakte heraus, dass ich zwar deutliche körperliche, nicht aber gravierende geistige Altersunterschiede feststellen konnte.
Anders ausgedrückt: Von „Kindern" oder „Jugendlichen" im arkonidischen oder terranischen Sinn konnte man eigentlich nicht sprechen. Junge Barkner waren einfach nur kleiner als die ausgewachsenen, und sie verfügten über weniger Informationen - daher die Schulen.
Sonst aber... Der älteste meiner Kommilitonen war übrigens sechs.
*
Überraschung Nummer drei: Es gab keine Mitschülerinnen. Auch keine Lehrerinnen. Überhaupt keine weiblichen Barkner.
Geahnt hatte ich so was wohl schon länger, es mir aber bis dato nicht einzugestehen gewagt.
Dass ich noch keine Barknerinnen getroffen hatte, hatte ich mir damit erklärt, dass ich ja erst einen kleinen Bruchteil der Stadt und der Welt kannte. Dabei handelte es sich gerade um solche Bereiche, die auch in anderen, ähnlich unaufgeklärten Kulturen weitgehend den Männlichen vorbehalten waren: Seefahrt und Jagd, Handel und Kampfspiel, Handwerk und höhere Ausbildung ...
Ich hatte daher gemutmaßt, dass sie, wie eben auch andernorts üblich, ihre Weibchen vor Gefahren abschotteten, insbesondere vor Nebenbuhlern, sie isolierten, vor der Welt verbargen, vielleicht in speziellen Vierteln der Stadt oder Tabubereichen an Bord mancher Schifte.
Aber dass sie so überhaupt gar keine Frauen hatten ... das verdutzte mich, als mich Salsdertu unversehens mit der Nase darauf stieß, denn doch.
Denn ich empfand die Barkner nicht als ein- oder ungeschlechtlich wie beispielsweise die als lebende Kampfmaschinen durchaus vergleichbaren Haluter, unsere Freunde und Verbündeten, die jedoch auch starke „mütterliche" Gefühle zu entwickeln im Stande waren. Nein, die Bewohner von Hellmock benahmen sich für mich eindeutig männlich, und ihre Gesellschaft war eine klassisch patriarchalische - nur eben ohne entsprechendes weibliches Gegenüber.
Tja. Und wo kamen dann die kleinen Barkner her?
*
Ich sollte vielleicht zuerst noch etwas über Salsdertu erzählen.
Er war vier und der nach mir Schmächtigste in der ganzen Schule beziehungsweise Klasse. Es gab ja nur diese eine: Zwei Drittel des Schulschiffs nahm ein einziger lang gestreckter, düsterer, mit etwa vierzig Reihen harter, schmiedeeiserner Bänke gefüllter Unterrichtsraum ein.
Die Luft in diesem schwimmenden Sarg war wahrlich zum Schneiden. Vierhundert
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