212 - Beim Stamm der Silberrücken
erschöpftes und ausgehungertes Krokodil in die Netze. Das Fleisch der Echsen schmeckte abscheulich. Ein Wunder, dass überhaupt noch welche lebten! Es schien, als habe irgendetwas der Evolution nachgeholfen und die Kaltblüter vor dem Aussterben gerettet. So wie sie einen ähnlichen Kometeneinschlag vor 65 Millionen Jahren auch schon überstanden hatten.
Ein paar Monate später, Ende Oktober, stand der afrikanische Sommer vor der Tür, doch der Schnee taute nicht, und das Eis auf dem See schmolz nicht. Ein paar Frauen waren schwanger, auch Leila. Sie wurde schweigsam in dieser Zeit und zog sich oft zurück. Percival sorgte sich sehr um sie. Der Gedanke, ein Kind in diese zerstörte Welt zu setzen, machte ihn keineswegs nur glücklich.
Eines Tages Ende Oktober arbeiteten Percival, Major Mogbar und vier Massaikrieger an einem Eisloch. Dunst schwebte über der Eisfläche. Ein Dutzend Fische und ein junges Krokodil zappelten im Netz, als die Männer es aus dem Wasser zogen. Plötzlich stieß Mogbar einen Zischlaut aus und deutete nach Westen. Dort schälten sich schwarze Gestalten aus den Dunstschwaden. Percival zählte fast zwanzig Männer.
Sie waren stämmig gebaut und bewegten sich in einem seltsam schwankenden Gang voran. Einige waren beängstigend groß.
Waren es überhaupt Menschen?
Die Massai ließen das Netz fallen und flüchteten.
»Gorillas!« Major Mogbar, der sein Gewehr schon angelegt hatte, winkte Percival. »Los, hauen wir auch ab! Es sind mir zu viele. Außerdem will ich keine Munition verschwenden.« Sie folgten den Massai. Ihre zappelnde Beute ließen sie zurück.
Die Nacht über stellten sie Wachschichten auf. Am nächsten Morgen – es wurde nicht hell, aber etwas weniger finster – tauchten fünf Gorillas im Camp auf. Sie warfen ein gefülltes Netz auf den eingeschneiten Kühlergrill eines Geländewagens und zogen sich wieder zurück.
Major Mogbar verließ die Baracke, kaum dass die Großaffen in Dunst und Dämmerung eingetaucht waren. Mit seinem geladenen Gewehr fühlte er sich relativ sicher. Leila und Percival folgten ihm.
Auf dem Kühlergrill des Jeeps fanden sie das am Eisloch zurückgelassene Netz, und in ihm sieben große Fische und etwa die Hälfte des jungen Krokodils, das sie am Vortag aus dem Eisloch gezogen hatten.
»Sie haben mit uns geteilt«, sagte Percival heiser. »Ich glaub’s nicht, sie haben mit uns geteilt…«
Die Massaikrieger versammelten sich um den Jeep und begutachteten die Fische und das Fleisch. Das Palaver wollte kein Ende mehr nehmen. Gestenreich erklärte Major Mogbar ihnen Percivals Theorie.
Man beschloss, den Gorillas ein Geschenk zu machen, um zu sehen, wie sie reagieren würden. Am Abend legten die Massai einen alten Speer und eine kleine Axt auf den Kühlergrill. Leila und die Frauen stellten einen Becher Tierfett dazu. Gewürzt und mit gekochten Wurzeln und Grassamen angereichert, half es der Horde, die Tage ohne Beute zu überbrücken.
Obwohl Major Mogbar und der Häuptling der Massai in dieser Nacht Wächter in unmittelbarer Nähe des Jeeps postierte, sah keiner der Männer die Gorillas kommen.
Dennoch waren die Geschenke am nächsten Morgen verschwunden, und Spuren im Schnee verrieten vier Großaffen, die das Fett und die Waffen geholt hatten.
Noch bevor das düstere Dämmerlicht wieder der nächtlichen Finsternis wich, brachten zwei Gorillas die Hälfte einer Gazelle zum Jeep. Wunden eines Speerstoßes fanden sich an ihrer Flanke, und die Wirbelsäule war eindeutig mit einer Axt zertrennt worden.
So ging das ein paar Tage lang: Geschenke wurden ausgetauscht, meist Nahrung, und bald hielten die Gorillas sich auf Sichtweite in der Umgebung des Camps auf. Angst und Misstrauen auf beiden Seiten wichen nach und nach der Hoffnung, starke Verbündete zu gewinnen; und mit ihnen bessere Chancen für den Überlebenskampf.
Nach vier Wochen etwa schleppten die Gorillas einen jungen Elefanten herbei, dem sie das Genick gebrochen hatten.
Sie legten ihn vor der Schwelle einer der drei Baracken ab.
Percival begriff sofort. »Dafür wollen sie dieses Dach über ihren Köpfen.« Er deutete auf die Baracke.
Nach kurzer Beratung erklärten sich die Massai einverstanden. Sie schleppten den Elefanten weg, um ihn zu schlachten und zuzubereiten und räumten die Baracke. Die Tür ließen sie offen, die Glut in der Feuerstelle hielten sie am Glimmen. Wenige Stunden später zogen die Gorillas ein.
Neunzehn Tiere zählte Percival.
Drei Tage lang beobachteten
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