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212 - Beim Stamm der Silberrücken

212 - Beim Stamm der Silberrücken

Titel: 212 - Beim Stamm der Silberrücken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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quirlige Mädchen zu hüten. Sie nannten es nur Layi. Und die Mutter nannten sie Lai. Leila fröstelte. Stillende Frauen und Kleinkinder gehörten zu den Privilegierten an Bord, die einigermaßen ausreichend zu essen und zu trinken hatten. Frieren allerdings mussten alle. Es wurde nicht mehr richtig warm im Flugzeug. Das Brennmaterial war ausgegangen, und die Suche nach neuem war gefährlich. So lebensgefährlich wie die Jagd und der Gang auf den See hinaus zum Eisloch.
    Leila blickte durchs Fenster. Schneetreiben verhüllte den Affenbrotbaum. Irgendwo heulten Hyänen. Der Schnee erschien ihr weißer als im Vorjahr. Die Tage allerdings waren noch genauso düster wie vor drei oder vier Jahren schon. Sie sah die Umrisse zweier Löwen am Wrack vorbeistreifen.
    Gedämpfte Stimmen schreckten sie auf. Sie blickte zur Bugluke. Dort hüllten sich die Männer in Fellmäntel. Major Mogbar verteilte Pfeile, Bögen, Speere und Macheten. Tom Percival wandte ihm den Rücken zu, damit er ihm den Rucksack aufziehen konnte.
    War es schon so weit? Leila biss sich auf die Unterlippe.
    Gebeugt schlurfte Percival durch den Mittelgang zu ihrem Lagerplatz. Major Mogbar folgte ihm mit ein paar Schritten Abstand. Während der ehemalige Journalist stark gealtert war in den letzten drei Jahren, bewegte Mogbar sich noch immer mit der Geschmeidigkeit eines Mannes in der Blüte seiner Jahre.
    Ächzend ging Percival vor Leila auf die Knie. »Wir gehen.«
    Sie blickte zum Fenster und schluckte. »Es muss wohl sein.«
    »Ja«, sagte er. »Es muss sein.« Er strich sich die langen weißen Locken aus dem Gesicht. »Die Biester haben uns umzingelt. Ohne den Zugang zum See sind wir verloren.«
    »Ich weiß.« Leila sah ihm ins Gesicht. Seine Augen waren traurig.
    »Was ich dir noch sagen wollte…« Er räusperte sich. »Da ist nichts, was ich dir verzeihen müsste. Von mir aus ist alles geklärt zwischen uns beiden.«
    »Danke, Tom.« Sie strich ihm über die Wange. Tränen stürzten ihr aus den Augen. »Pass auf dich auf…«
    Percival küsste sie auf die Stirn. »Leb wohl, Leila.« Er stand auf. Mit gesenktem Kopf schlurfte er an Mogbar vorbei zur Bugluke.
    Der Major bückte sich zu Leila hinunter, küsste sie auf den Mund und streichelte lächelnd sein Töchterchen. Er war seltsam milde, seit er Vater geworden war. »Komm um Gottes willen wieder, Mogg«, flüsterte Leila ihm ins Ohr. Er nickte und folgte dem Weißen. Noch immer trug er das Gewehr auf dem Rücken. Leila wusste, wie viele Patronen noch im Magazin steckten: fünf.
    An der Luke hatten sich inzwischen auch die Gorillamänner in Löwenfellmäntel gehüllt. Wie die Menschenmänner trugen sie Spieße und Prügel. Nur das Bogenschießen hatten sie noch nicht gelernt. Nacheinander bückten sie sich durch die Luke ins Freie, dreizehn Gorillas und neun Menschenmänner. Sie würden siegen, oder Hunger und Durst würden die kleine Wrackkolonie auslöschen.
    Kaum fiel die Luke ins Schloss, hörte man draußen die Geier schreien und einen Löwen brüllen. Ein Schuss fiel, Männerstimmen riefen. Dann herrschte eine lange Zeit Stille.
    Durch das Fenster sah Leila, wie die Jäger durch den Schnee zum See stapften. Mogbar ging voran. Percival, mit dem schweren Rucksack, marschierte zwischen den Affen in der Mitte der Gruppe. Leila hatte keine Ahnung, was der Rucksack enthielt.
    Über eine Stunde lang hörten sie nichts. Kein Tiergeschrei, keine Männerstimmen, keinen Schuss; nichts. Dann ertönte eine Explosion in der Ferne. Ein Zittern lief durch die Maschine, ein paar Kinder fingen an zu weinen, Gorillababys verkrochen sich im Fell ihrer Mütter. Leila war aufgesprungen und lauschte. Sie hatte nicht die geringste Erklärung für die Explosion.
    Zwei Schüsse fielen kurz darauf, danach herrschte wieder stundenlange Stille. Irgendwann klopfte jemand an die Luke.
    Eine Massaifrau öffnete. Nacheinander drängten sie ins Flugzeug und klopften sich den Schnee aus Mänteln und Fell – zehn Gorillas und sechs Menschenmänner.
    Percival war nicht unter ihnen. Leila schloss die Augen und verbarg den Kopf zwischen den Knien. Sie weinte leise in sich hinein.
    »Wir haben siebzehn Löwen, mindestens dreißig Hyänen und fast zwei Dutzend Geier getötet«, erzählte Mogbar später.
    »Das restliche Viehzeug ist geflohen. Jetzt haben wir Ruhe; und zu essen sowieso.« Er fütterte die Kleine mit Fisch. Als er Leila ein Stück in den Mund schieben wollte, wandte sie den Kopf weg und starrte ins dunkle

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