212 - Beim Stamm der Silberrücken
bestand aus alten Männern und Halbwüchsigen. Alle waren sie von Hunger und Durst gezeichnet.
Percival ließ den Bedauernswerten Wasser geben. In der Feuerstelle im Cockpit brieten sie das Löwenfleisch und gaben es rationiert aus. »Wo sind eure Männer?«, wollte Leila wissen.
»Was ist hier passiert?«
»Vor einem knappen Jahr ging Kevin mit dreißig Männern auf die Jagd.« Die Berger sprach flüsternd und von Schluchzern unterbrochen. »Sie sind bis heute nicht zurückgekehrt. Als einige der zurückgebliebenen Männer das Flugzeug zum Wasserholen verlassen wollten, lauerten Geier auf dem Dach und Löwen auf der Rampe. Acht Löwen drangen ins Wrack ein und wüteten schrecklich. Als wir sie endlich vertrieben hatten, zählten wir elf Tote. Ähnlich viele verloren ihr Leben beim Wasserholen. Seit vier Wochen belagern die Tiere das Flugzeug. Wenn Sie nicht zurückgekommen wären, wären wir verhungert und verdurstet. Für meinen Sohn ist es zu spät…«
Sie weinte, griff nach Percival Hand und wollte sie küssen.
Percival entzog sie ihr.
In den folgenden beiden Wochen starben elf weitere Wrackbewohner an den Folgen der Unterernährung. Die achtzehn Überlebenden waren schwach und willenlos. Ihre ehemaligen schwarzen Mitbewohner und die Massai gaben ihnen zwar zu essen und zu trinken, behandelten sie ansonsten aber wie Gefangene. Die Gorillas spürten die Feindseligkeit ihrer menschlichen Gefährten gegenüber den Weißen. So gewöhnten auch sie sich an, grob und abweisend mit ihnen umzugehen.
Major Mogbar und seine Jägerrotte aus Massai, ehemaligen Soldaten und Gorillamännchen vertrieben Geier, Hyänen und Löwen und sorgten für frische Wasservorräte. Percival und die Frauen begruben die sterblichen Überreste der Toten und reinigten das vollkommen verdreckte Flugzeug.
Leila verlangte, dass Carol Berger und die Überlebenden in den Frachtraum umzogen. Es kam deswegen zu einem heftigen Streit zwischen ihr und Percival. Nicht zuletzt, weil die Weißen die Gorillas fürchteten und nicht mit ihnen im selben Raum leben wollten, setzte sie sich durch. Fortan hausten die Weißen eine Ebene tiefer.
Einen Monat danach starb die ehemalige Chefstewardess Carol Berger an einer Lungenentzündung. Der Tod ihres Sohnes und die Demütigung durch Leila hatten ihr das Herz gebrochen.
Ende März fiel der erste Schnee, im April begann der See zu gefrieren, Mitte Mai brachte Leila ein kleines Mädchen zur Welt. Lächelnd wusch sie es in dem warmen Wasser, das die Frauen ihr von der Feuerstelle aus dem Cockpit brachten.
Die Gorillas drängten sich um die glückliche Mutter, jeder wollte das Baby beschnuppern. Leila legte es zum ersten Mal an die Brust, es saugte gierig. Die Massaifrauen klatschten in die Hände.
Percival hockte auf der anderen Seite des Mittelganges in seinen Decken und lehnte den Hinterkopf gegen das eiskalte Fenster. Das Flugzeug schien hin und her zu schwanken, und er hatte das Gefühl, als hätte man ihm die Brust mit Beton gefüllt.
Er fühlte nichts mehr, nichts. Major Mogbar aber hockte im Schneidersitz neben Leila und strahlte über das ganze verwitterte Gesicht.
Das neugeborene Mädchen hatte schwarze Haut.
***
Kilmaaro, März 2524
»Sie kommen zurück!«, rief Rönee aus der Baumkrone. Er war in einen der Bäume am Ufer geklettert, um das andere Ufer besser beobachten zu können.
Aus dem hohen Gras der Uferböschung beobachteten Matt, Lysambwe und die anderen die gegenüberliegende Uferseite.
Die Gorillamutanten, die dort gewartet hatten, waren aufgestanden und spähten flussabwärts, wo in diesem Moment ein Dutzend Schwarzpelze und die Frau mit der Narbe im Unterholz erschienen.
»Bei den Schuhschnallen des Kaisers!«, zischte Lysambwe.
»Was trägt der verfluchte Zilverbak da in seiner Faust?«
»Einen Schädel«, kam es aus der Baumkrone. »Es ist Ahmads Kopf!«
»Töte sie!« Lysambwes Blick brannte, er deutete auf Matts Laserblaster. »Tilge sie vom Erdboden!«
Der Mann aus der Vergangenheit spähte hinüber ans andere Ufer. Als er den ersten Schock verdaut hatte, schüttelte er langsam den Kopf. »Lass erst Rulfan noch einmal mit ihrer Botin reden.«
Das behagte dem ehrlich empörten Lysambwe ganz und gar nicht. Er bestand darauf, sofort anzugreifen. Matt aber blieb hart, und da der kaiserliche Kommandeur für einen Angriff auf Matts Laserblaster angewiesen war, gab er schließlich nach.
Sie warteten, bis die Frau wieder in den Fluss stieg. Dann schwamm auch Rulfan erneut
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