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212 - Das Skelett (German Edition)

212 - Das Skelett (German Edition)

Titel: 212 - Das Skelett (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Graser
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Psychologieabsolvent, der soviel über die menschliche Psyche, soviel über Denkstrukturen und Bedürfnisse weiß.
    Der Men sch wächst mit seinen Aufgaben. Damals ging es mir noch nicht ums Geld. Igor war ein Verbindungsoffizier beim KGB. Ein harter, intelligenter Hund mit besten Beziehungen zum Kreml. Belesen, nicht so ein dummes Schwein wie ich. Von ihm lernte ich eine ganze Menge. Zum Beispiel, dass einzelne Menschen keine Bedeutung haben, und dass Mitgefühl einen nur schwächt. Dass Bücher versäumtes Wissen auffüllen können, wenn man denn will. Igor war gut für mich. Dann brachte er mir besondere Nahkampftechniken bei, die ich noch nie gesehen hatte. Dagegen war unser Grundausbilder eine Witzfigur, und wir dachten echt, der wäre der härteste Hund der Welt. Unglaublich, wie einfach man einem Menschen die Knochen brechen oder ihn schwer verletzen kann. Dieses Herumalbern – wie er es nannte – hat mir auf meinem weiteren Weg oft den Kopf gerettet. Er hätte es mir nicht beibringen sollen! Dann kam meine Zeit der wahren Entscheidungen, endgültig aufzustehen und mich nie wieder auf den Boden schmeißen zu lassen. Derartig plötzliche Veränderungen können unaussprechliche Ängste verursachen, dabei bieten sich doch so viele Möglichkeiten für einen Neuanfang. Warum denken wir immer so abstrakt und wollen alles Gewohnte festhalten? Zuerst hatte ich Angst, das wenige Erworbene wieder zu verlieren. Meine Entschlossenheit und sämtliche Erfahrungen aus den letzten Jahren halfen mir, diese Gefühle zu verdrängen. Zögerst du oder lässt dich von irgendjemand instrumentalisieren, verlierst du. Dann bleibst du lebenslang ein Mitläufer, ein Knecht. Ich wollte niemandem mehr dienen und nur Brosamen aufsammeln.
    N ein, das Wort Egoismus bekam für mich eine völlig neue Bedeutung.
     
    Es war das Jahr 1989, die DDR begann, sich in die Geschichtsbücher einzuschreiben, und der Zerfall unserer glorreichen Sowjetunion setzte unaufhaltsam ein.
    Diese imposante Größe unseres ehemaligen Superreiches, dieses politische Machtdenken hatte mich nie interessiert.
    I ch war und bin nur ein einfacher Russe.
    Viele ranghohe Offiziere und vorhandene Oligarchen in der Heimat sahen seinerzeit ihre Felle wegschwimmen und steuerten dagegen. Die 90er wurden eine umtriebige Zeit mit zahlreichen Möglichkeiten.
    Ein e Goldgräberzeit!
    Wenige wurden über Nacht reich, andere wenige waren schon reich und nun superreich, es gab wahre Gipfelstürmer. Die alten Seilschaften um Gorbatschow zerbröselten. Jelzin und seine Mannen nahmen vehement die Zügel in die Hand. Es gab kleine Lücken und neue Oligarchen entstanden.
    Dazu zähle ich mich auch, nein, eigentlich doch nicht. Ich wurde und bin superreich, habe aber nie versucht, politischen Einfluss auszuüben. Als wir Anfang 1990 damit langsam beginnen sollten, die Liegenschaft in Neustrelitz zu räumen, Mann und Maus zurückzuführen, begann meine Zeit. Irgendwie war die alte Ordnung dahin, Bestandslisten waren verschwunden oder unvollständig.
    Bis etwa Mitte 1992 gab es bei uns keine autoritäre Befehlsgewalt. Unvorstellbar, aber so war es!
    Es gab keine vernünftigen Protokolle, keine genauen Anweisungen, wo was hinkommen sollte. Anscheinend kümmerte es erst einmal niemanden wirklich. Die politische Führung im Kreml war überfordert. Einige Generäle angepisst, es herrschte Chaos. Danke, ihr Narren!
    Sie verstanden es nicht, dass eine neue Zeitrechnung eingeläutet wurde. Vielleicht lag es auch daran, dass die vielen Milliarden Deutsche Mark von eurem damaligen Kanzler Kohl an unseren neuen Machthaber Jelzin erst einmal „gerecht“ verteilt werden mussten. Alles dauert seine Zeit.
    Erst d ann schickten sie gute Leute, die logistisch und strukturell die Rückführung, besonders aller Waffensysteme, angingen. Da hatten meine beiden Freunde und ich schon unseren Abschied eingereicht.
    Mein Freund Michail, Igor und ich wurden nur noch „MIA“ genannt. Es war anfangs beängstigend, berauschend, unbegreiflich. Aus nostalgischen Gründen nannte ich meine später gegründete Vertriebs- und Beteiligungsfirma in London auch „MIA“. Ich erzähle dir nur ein, zwei Geschichten, sonst sitzen wir noch in einer Woche hier. Ich will nur, dass du mich besser verstehst.«
    Ja , ich begann zu verstehen, mir saß ein besonderer Krimineller gegenüber. So hörte ich weiter brav zu. Artjom hatte seinen Spaß, das war offensichtlich. Die Flasche Wein war leer, nun waren wir beim Wodka angelangt.

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