Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
215 - Die Macht des Sehers

215 - Die Macht des Sehers

Titel: 215 - Die Macht des Sehers
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
Madagaskar sind es knapp zweitausendfünfhundert Kilometer. Selten hat eine Roziere eine solche Strecke im Direktflug zurückgelegt.«
    »Ihr Sohn Victorius hat es sogar bis nach Australien geschafft«, warf Matt ein – und bereute es schon im nächsten Moment.
    Ein Reißverschluss schien durch de Roziers Miene zu gehen. »Reden wir nicht von ihm«, sagte er schroff. »Denken wir nicht einmal an ihn.«
    »Ich erwähnte es nur der Strecke wegen«, versuchte Matt die Wogen zu glätten. »Wir müssen nämlich auf der Suche nach dem Strahl noch viel weiter fliegen als nur bis nach Madagaskar. Ich hoffe, das ist Ihnen bewusst.«
    »Kein Problem für die Roziere«, sagte der Kaiser selbstbewusst. »De Fouché persönlich hat veranlasst, dass sie gründlich gewartet und ausgerüstet wurde. Wir könnten damit um die ganze Welt fliegen!«
    Drax verzichtete auf einen weiteren Kommentar. In einem Jet hätte er sich jedenfalls wesentlich sicherer gefühlt als in einem antiken Zeppelin. Außerdem hätte die Flugzeit dann nur wenige Minuten betragen.
    Doch diese bequemen Zeiten waren vorbei. Für ihn seit acht Jahren erst, für den Rest der Menschheit bereits seit fünfhundertzwölf Jahren. Davon abgesehen, waren selbst zweieinhalbtausend Kilometer eine beträchtliche Strecke für jemanden, der nur noch einundzwanzig Tage zu leben hatte.
    »Wir halten Kurs auf Madagaskar«, sagte de Rozier. »In zwei Stunden können Sie mich ablösen, Monsieur Drax. Bis dahin erzählen Sie mir doch mehr von dem Mann, den wir suchen, von diesem Yann Haggard. Was genau ist das für eine sonderbare Gabe, über die er da verfügt, und wie haben Sie ihn kennen gelernt?«
    ***
    Madagaskar, Mitte März 2524
    Der bohrende Schmerz hinter seinem toten Auge war das Erste, das ihm wieder ins Bewusstsein rückte. Das zweite war ein urweltliches Schnarchen ganz in seiner Nähe. Yann Haggard schlug das gesunde Auge auf.
    Er blickte in eine Kuppeldecke aus rotbraunen Steinblöcken.
    Er wandte den Kopf in die Richtung, aus der das Schnarchen kam – da war eine Tür aus schwarzem Metall. Irgendjemand schlief hinter ihr, ein Mann vermutlich, jedenfalls klang das Schnarchen nach dem eines Mannes. Es dröhnte ihm in den Ohren und wühlte seinen Schmerz auf. Yann setzte sich an den Rand des Holzgestells, auf dem er lag, und hielt sich den Schädel fest.
    »Keetje?«, fragte er leise. Keine Antwort. Das Schnarchen jenseits der Metalltür geriet ein wenig aus dem Rhythmus.
    Yann Haggard stand auf. Er tastete nach seiner Schutzbrille, sie hing ihm um den Hals.
    Da war ein Fenster, zu dem er hinging. Unterwegs wurde ihm schwindlig. Der Sturz wäre unvermeidlich gewesen, hätte da nicht ein Tisch gestanden – Yann stützte sich auf die Kante.
    Durch die Erschütterung der Tischplatte stürzte der Kerzenständer darauf um, und die große Kerze rollte über das Holz, über die Kante und knallte auf den Steinboden.
    Das Schnarchen vor der Tür hörte auf.
    Yann atmete ein paar Mal tief durch – der Schwindel ließ nach. Er ging weiter bis zum Fenster. Das lag in Augenhöhe, war vergittert und nicht besonders groß. Yann spähte durch einen mehr als einen Meter dicken Wanddurchbruch auf schmutzig braune Gemäuer aus groben Steinblöcken.
    Man hatte ihn in eine Art Festung verschleppt.
    Hinter ihm quietschte die Metalltür. Viel zu schnell fuhr Yann herum – er presste sich sofort wieder die Fäuste gegen die Schläfen und stöhnte auf vor Schmerzen. Im Türrahmen stand ein feixender schwarzer Hüne – ihm fehlte kein Auge, also konnte es nur Woyzakk sein.
    »Na endlich«, brummte der grobschlächtige Kerl. »Ich dachte schon, du schläfst ewig!« Er trat zur Seite und winkte Yann mit einer Kopfbewegung zu sich. »Der große Kriegshäuptling Wyluda wartet auf dich.«
    »Wo bin ich?« Yann Haggard wankte zur Tür.
    »In der Festung Wyludas, wo sonst?«
    »Was ist mit mir geschehen? Warum habe ich das Bewusstsein verloren?« Yann schob sich an dem Hünen vorbei.
    »Du hast dir das ganze Schmerzmittel auf einmal reingezogen.« Woyzakk fasste ihn am Arm und führte ihn durch einen halbdunklen Gang. Es roch feucht, an den Wänden brannten Fackeln. »Hat gewirkt, was?«
    »Wo ist Keetje?« Jetzt war die Erinnerung vollständig zurückgekehrt.
    »Wollte nicht mit«, feixte Woyzakk. »Kam mir wenigstens so vor. Also haben wir sie da gelassen.«
    Sie erreichten ein Portal aus mit Metall verstrebtem Holz.
    Woyzakk schlug ein paar Mal mit der Faust dagegen. »Der Meister ist wach!«,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher