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2166 - Durch den Zeitbrunnen

Titel: 2166 - Durch den Zeitbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Augenblick sah es so aus, als wolle Monkey sein Halsband wegwerfen. Erst im letzten Moment überlegte er es sich anders und befestigte es wieder. Die Sonne war ein kleines Stück weitergewandert. Sie tauchte das Land in einen orangefarbenen Schimmer, der es schwer machte, Entfernungen zutreffend abzuschätzen. Zudem war es unangenehm schwül geworden. Auf der Erde hätte sich ein Wolkenbruch, wenn nicht gar ein heftiges Gewitter angekündigt, doch hier blieb der Himmel klar und wolkenlos.
    Sekundenlang winkelte Monkey den Arm an. Die akustische Ausgabe seines Armband-Pikosyns war laut genug, dass Saedelaere sie ebenfalls hörte. „Hyper- und Normalfunkverkehr können nicht angemessen werden", .stellte die syntronische Zentraleinheit fest. „Gleiches gilt für die passive Energieortung: keine Echos."
    „Das heißt, auf dieser Welt gibt es keine technisch fortgeschrittene Zivilisation?"
    „Eine eindeutige Aussage ist nicht möglich", antwortete der Pikosyn. „Gibt es eine Ursache dafür?"
    „Unbekannt."
    „Alle Funktionen abschalten!" kommandierte Monkey. „Vielleicht erfüllen die Tarnkappen doch ihren Zweck", sagte Saedelaere, „Sie umgeben uns mit einem Ortungsschutz, der von keiner Seite aus durchbrochen werden kann." Aber das war nur eine Vermutung.
    Der Maskenträger bestimmte fortan das Marschtempo. Sie kamen immer noch zügig voran, doch Monkey war anzusehen, dass er sich mühsam zurückhielt. Hin und wieder scheuchten sie Rudel kleinerer Tiere auf. Insekten schwärmten im Sonnenglast, und das eine oder andere Mal zog eine Flugechse majestätische Kreise über ihnen. Trotzdem blieb diese Welt fast stumm. Der Wald lichtete sich allmählich. Nachdem die Wanderer den ersten weit mäandernden Flusslauf überwunden hatten, wich das Unterholz einem weichen Grasteppich. Bald gab es nur noch den Hochwald mit seinen weit ausladenden, ineinander verschraubten Ästen.
    Unter anderen Umständen hätte Alaska für kurze Zeit innegehalten und das Flair dieser Welt auf sich wirken lassen. Er spürte einen Hauch von Ewigkeit, eine innere Stille, die ihm bisher nur an wenigen Orten begegnet war. Während des Indiansummer in den kanadischen Wäldern oder in abgeschiedenen Bereichen der Wüste Gobi - aber das lag alles schon sehr lange zurück. Monkey hätte für solche Empfindungen ohnehin kein Verständnis aufgebracht.
    Sie erreichten einen der höchsten Hügel, bislang die nahe Horizontlinie. Lediglich der Wald versperrte noch die Sicht nach Westen. Monkeys Blick wanderte an einigen Bäumen empor. Prüfend rüttelte er an den nicht sehr massiven Stämmen. Jeweils vier oder fünf armdicke Strünke wanden sich verdreht in die Höhe und stützten sich gegenseitig. Es schien, als hätte das in der Nähe des Zeitbrunnens stangenartige Unterholz sich zu einer höheren Wuchsform zusammengefunden.
    Dem Lebendgewicht eines Oxtorners hielten die Bäume aber kaum stand. „Das ist eher eine Aufgabe für mich", stellte Alaska Saedelaere fest. Er begutachtete einige Stämme, bis er sich für einen Baum entschied, aus dessen Krone er wohl einigermaßen gut über alle anderen hinwegschauen konnte. Es war nicht der höchste Baum, aber einer, der den besten Rundblick versprach. „Saedelaere!" Alaska fuhr herum. Monkey stand hinter ihm und streckte ihm die Hand entgegen. „Nehmen Sie das hier!" Erst jetzt erkannte er, was der Oxtorner in seiner Pranke hielt. Verwirrt wanderte sein Blick zu Monkeys leerer rechter Augenhöhle. „Ihr Auge, Monkey ...?"
    „Mich interessiert, was Sie von da oben aus sehen." Ich unterschlage Ihnen schon nichts. Die Antwort lag Alaska auf der Zunge, doch er schluckte sie unausgesprochen hinunter. „Aufzeichnungs-Modus läuft, mittlerer Telebereich ist aktiviert. Verlieren Sie das Auge nicht, Saedelaere!" Er verzog einen Mundwinkel, entsann sich, dass Monkey sein spöttisches Grinsen nicht einmal mit beiden SAG-Objektiven hätte sehen können, und nickte nur stumm. Die Stammwindungen erleichterten es, an dem glatten Holz in die Höhe zu klettern. Erst als die einzelnen Strünke wieder auseinander strebten, bekam Alaska Probleme. Zum einen war das Geflecht dichter, als es vom Boden aus den Anschein hatte, zum anderen krachte das Holz bedrohlich unter seinem Gewicht. Von dem erhofften Ausblick konnte momentan gar nicht die Rede sein.
    Nur zentimeterweise schob er sich vorwärts, lag bäuchlings auf zwei Ästen. Zu beiden Seiten wand sich ein wirres Geflecht; einzelne Auswüchse erinnerten an fingerlange

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