217 - Der Unsichtbare
gelang, würde er jedes Mal von seinen Begleitern getrennt werden, sobald sich eine Tür hinter ihnen schloss.
Entschieden ging er auf den Stapel zu, verfing sich mit dem Fuß, stolperte und stürzte, fiel durch die Reifen hindurch und schlug auf dem Boden auf. Also doch! Es klappt, wenn ich mich nicht darauf konzentriere!
Neben ihm war Yann Haggard wie angewurzelt stehen geblieben. »Maddrax! Ich habe Maddrax gesehen!«
»Bitte? Wo?« Der Kaiser sah sich suchend um. »Und wie?« Pilatre de Rozier klang wie ein Mann, der es nicht leiden konnte, wenn man Scherze mit ihm trieb. Die Krieger wollten Yann weiterdrängen, doch der wehrte sich dagegen und wies auf den Stapel verrottender Autoreifen. »Da! Er war eben da, ein blauer Schemen! Ich bin mir ganz sicher!«
Matt stand langsam auf und wusste nicht, was er tun sollte. Konnte es sein? Nahm Yann ihn endlich wahr? Aber warum? Erleichterung und Erregung durchfluteten ihn. Yann hatte ihn sehen können weil… Weil ich mich schnell und seitlich von ihm bewegt habe!
Jetzt fiel ihm wieder ein, was Yann ihm während der Überfahrt mit der Schelm erzählt hatte: Er sah die Energiespuren von Menschen, wenn sie liefen! Also musste er sich nur schnell bewegen, damit Yann ihn wahrnehmen konnte. Und er musste seitlich von ihm sein; der Effekt war offenbar am stärksten, wenn Yann ihn aus dem Augenwinkel sah.
Matt setzte seine Theorie sofort in die Tat um und sprintete so schnell er konnte seitlich an Haggard vorbei.
»Da!«, rief Yann. »Schon wieder! Es ist Maddrax!«
»Mon dieu… Wenn das stimmt, was ist nur mit ihm geschehen in diesem Strahl?«, murmelte de Rozier mit gerunzelter Stirn.
Die beiden Krieger wirkten inzwischen verunsichert. Sie sahen sich misstrauisch um!
Matt blieb erleichtert stehen. So weit, so gut. Ein erster Schritt war getan. Vielleicht schaffte er es doch noch, Yann eine Botschaft zu schicken.
Einer der Krieger zog seine Axt. »Weiter«, knurrte er verdrießlich. »Da ist nichts, du siehst Geister!«
Yann und de Rozier wurden in die ehemalige Kirche gezerrt. Matt beeilte sich, ihnen zu folgen. Nun fühlte er sich nicht mehr ganz so verloren.
Im Innenraum des Gotteshauses hingen mehrere Bilder und Gemälde an der Wand. Eines davon zeigte tatsächlich Pilatre de Rozier. Es war mit roter Farbe auf eine Holzplatte gemalt und machte die Nase des Kaisers deutlich größer, als sie war. Von der Decke hingen Fetische. Auf einem wild zusammengezimmerten Stuhl, der wohl ein Thron sein sollte, hockte Waluk, der Wakuda, und stierte den Ankömmlingen entgegen. An seiner Seite stand eine ältere Frau in einem violetten Kleid. Ihr Hals und ihre Arme hatte sie mit zahlreichen Muschelketten und Armbändern behangen. Ihre Augen waren mit dunkler Kohle umrandet und die Lippen leuchteten in einem vulgären Rot. Die langen krausen Haare umgaben ihren Kopf wie ein schwarze Wolke.
Der Häuptling sah zu ihr auf. »Sag mir, Iranda – ist das der Kaiser des Ostens?«
Die Frau sah Pilatre de Rozier aus dunklen Augen an. Sie musterte den dicken Verband an Pilatres Schulter, der zwischen dem aufgerissenen Stoff zu sehen war. »Er ist es, Waluk.«
Pilatre hob eine Augenbraue. »Wer seid Ihr, Gnädigste?«
Der Häuptling stand polternd auf. »Das ist Dokktress Iranda, die Geisterseherin! Sie weiß alles!«
Pilatre de Rozier sah nicht aus, als sei er von dieser Information beeindruckt.
Iranda hob die Arme mit dem weiten Kleid und wirkte dabei wie eine überdimensionale Fledermaus. »Du glaubst nicht an Geister.« Die Augen der Frau wurden groß. »Und doch habt ihr einen bei euch!«
Matt horchte auf. Konnte sie ihn wahrnehmen? Hatte sie tatsächlich eine Gabe?
»Maddrax!«, entfuhr es Yann. »Du kannst Maddrax fühlen?«
»Ein Dämon ist es«, flüsterte die hagere Frau. »Der da ist sein Meister! Er hat das Dämonenauge! Das Gesicht eines Wechselbalgs!« Sie wies anklagend auf Yann, dessen langes graues Haar sein fehlendes Ohr nur unzureichend verdeckte. »Wir müssen auf der Hut sein! Verbrenn sie! Beide!«
»Aber Iranda«, jammerte Waluk und kratzte sich am Bauch. »Vor einer Stunde hast du noch gemeint, sie bringen uns Ruhm und Reichtum…«
»Aber bitte, Dokktress Iranda«, meinte de Rozier weltgewandt. »Unser… äh, Geist wird Euch sicher nichts antun. Und Ihr wollt doch keinen Krieg heraufbeschwören, indem Ihr mich tötet. Wenn es stimmt, was ihr sagt – dass ich Kaiser de Rozier bin –, dann wäre dies ein fataler Fehler!«
Matt konnte nicht länger
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