2181 - Die Liebenden der Zeit
Welten.
Sie verließ die Wohnung und ging zum nächsten öffentlichen Transmitter. Curcaryen erwartete sie. Gemeinsam mit anderen Führungskräften der ökologischen Gesellschaft wollten sie eine Resolution verfassen, die ihr weiteres Vorgehen präzise regelte. Es wurde Zeit, die Ziele mit Nachdruck zu verfolgen. Und noch etwas beschäftigte sie. Am Vortag hatte sie Curcaryen endlich auf den Kopf zu gesagt, dass er sie umgebracht hatte. Tief waren die letzten Augenblicke vor dem Tod in ihr Unterbewusstsein eingegraben. Jeden Handgriff, jede Schaltung in den Lichtfeldern, die Varantir vollzogen hatte, glaubte sie nachahmen zu können. Als Technikerin verstand sie viel mehr davon als in ihrer einstigen Unbedarftheit.
Sie hatte Curcaryens Betroffenheit wahrgenommen. Noch mehr hatte sie verwundert, dass jeder Versuch einer Rechtfertigung ausgeblieben war. „Warte bis morgen", war sein Kommentar gewesen. Was hatte er vor? Dass er mehr wusste, war Le nicht verborgen geblieben. Bis zum Äußersten angespannt, durchschritt sie das Transmitterfeld - und wäre um ein Haar mit Varantir zusammengeprallt. Er musterte sie herablassend, und sein „Komm mit!" klang, als hätte er einen Roboter aufgefordert und nicht eine Frau. Sie folgte ihm, während sich Widerwille und Neugierde gegenseitig aufschaukelten. Nach wenigen Augenblicken wusste sie, wo Varantirs Ziel lag: im Innenhof des Verwaltungsbaus, über den die Gesellschaft seit wenigen Jahren verfügte. Die einzigen Bäume des Kontinents wuchsen hier, herangezogen aus konservierten, fast sechstausend Jahre alten Schösslingen. Sie waren noch nicht groß, aber ihr Laub und die Blütenpracht erschienen wie ein stummes Versprechen, dass Geomm in nicht mehr ferner Zukunft neu ergrünen würde. „Du hältst mich für einen Mörder?", herrschte Curcaryen sie unvermittelt an. Anyante schwieg. „Viele glaubten, ich wäre verrückt. In Wahrheit bist du es."
Brutal umklammerte er ihre oberen Arme, als sie sich abwenden wollte. Heiß streifte sein Atem über ihr Gesicht. „Ich habe Beweise, und ich will, dass du sie ansiehst. Hier und jetzt - und anschließend mach, was du willst!" Ein Diffusorfeld baute sich um sie herum auf, als er mit der Zunge schnalzte. Der Zwang, davonzurennen, wurde schier übermächtig, aber Le Anyante beherrschte sich. Wovor hatte sie Angst? Dass Varantir die Wahrheit sagte und ihr Hass auf ihn wenigstens in der Hinsicht unbegründet war?
Innerhalb des Diffusorfelds wechselte scheinbar die Umgebung. Alles wurde wie damals. Le Anyante starrte auf die Brunnenschale, sie sah den struppigen, verdreckten Curcaryen Varantir, als stünde er leibhaftig vor ihr, sah die anderen Architekten und Helfer und nicht zuletzt jene elegante Algorrian, deren Bild sie ihr Leben lang nicht vergessen würde. Das alles aus leicht erhöhter Perspektive. Der Zeitbrunnen krallte sich in den Boden, faltete sich zu seiner vollen Größe auf... „Das ... das ist echt", brachte Le Anyante ungläubig hervor. Panik stieg in ihr auf. Sie wollte nicht sehen, wie sie starb. „Aufgezeichnet von optischen Überwachungsfeldern", bestätigte Curcaryen. „Aber ... woher ...?" Sie ahnte die Antwort, bevor sie die Frage ausgesprochen hatte. Solche Dinge konnte der Potenzial-Architekt nur von Morstam erhalten haben. Was wusste ihr Gefährte? Hatte er sie in der Aufzeichnung schon sterben sehen? Du bist wirklich verrückt. Er kann dich nicht erkennen. Sie schloss die Augen, kniff die Lider so fest zusammen, dass nicht einmal ein Hauch von Helligkeit durchdringen konnte. „Schau hin!", herrschte Varantir sie an, und sein noch fester werdender Griff ließ sie aufschreien. „Sieh es dir an!
Heute verstehst du hoffentlich, was geschieht." Er hatte Recht. Das Geschehen zog sie in seinen Bann. Sie sah Varantir in den Lichtfeldern hantieren, während der Zeitbrunnen zu pulsieren begann. Curcaryen aktivierte Schutzschirme, die sich nicht aufbauten, er versuchte, über die Einrichtungen der Brunnenschale noch das Schlimmste zu verhindern - ebenso vergeblich. Augenblicke später die explodierende, alles verschlingende Schwärze. Le Anyante schrie wie nie zuvor in ihrem Leben. Sie verstummte erst, als Curcaryen ihr heftig in die Seite stieß. „Du hast es gesehen. Ich konnte nichts dagegen tun, alle Sicherheitsvorrichtungen waren blockiert."
Sie schauten sich an; Betroffenheit spiegelte sich in diesem Blick. Der Verdacht, dass Varantir selbst die Sicherheitsfelder blockiert hatte, lag nahe. Damals
Weitere Kostenlose Bücher