2186 - Der neue Souverän
vernommen hatte, „wie wir vor langer, langer Zeit hier gesessen und einen Rettungsplan für VAIA besprochen haben?" Der Verkünder lächelte schwach. „Ja. Du hast damals gemeint, es würde Dutzende von Jahren dauern, solch einen Plan auch nur auszuarbeiten." Die Wissenschaftlerin lehnte sich zurück. „Und ich habe nicht untertrieben. Es sind Dutzende von Jahren vergangen."
„Und jetzt hast du einen Plan?"
„Aus der Verzweiflung geboren ..."„Ich möchte ihn trotzdem hören."
„Natürlich." Coprada legte eine Pause ein, anscheinend, um ihre Gedanken zu ordnen, in Wirklichkeit jedoch, um die ihr gebührende Aufmerksamkeit zu erhalten. „Wie du weißt, waren die Anlagen in SAHINS STERN ursprünglich zu dem Zweck gedacht, die Umlaufgeschwindigkeit und Eigenrotation von VAIAS Kind abzubremsen und die enormen Energien in dem Gluthaufen zur Erzeugung eines Korridors zu nutzen."
„Ich entsinne mich."
„Dieser Korridor sollte den Normalraum durch die entfesselten Gewalten mit dem Innenraum des PULSES verbinden."
„Und davon bist du jetzt abgewichen?"
„Nicht ganz.
Wir haben vor, die Umlaufgeschwindigkeit von VAIAS Kind tatsächlich abzubremsen. Allein für diese Aufgabe veranschlage ich zweihundert Jahre."
„Und dann?"
„Dann werden wir einen Korridor schaffen. Aber nicht einen Tunnel im eigentlichen, vierdimensionalen Sinn, sondern einen Jetstrahl, emittiert aus dem Inneren von VAIAS Kind. Er soll keineswegs eine Passage aufstoßen.
Das sehe ich nicht als machbar an."
„Was genau hast du vor?"
„Ich will mit diesem Jetstrahl eine Struktur schaffen, an der entlang sich wie an einer Leiter hyperenergetische Impulse bis in den Innenraum des PULSES fortpflanzen können."
„Was für Impulse?"
„UHFhochfrequente, psionische. Sie werden den Jetstrahl pulsen, und zwar mit fünf Komma fünf Peaks pro Minute. Das entspricht gen au der ursprünglichen Pulsfrequenz des nun im Koma liegenden Leibes VAIAS."
„Ich verstehe", sagte Vampuce. „Du hoffst, dass die Hyperimpulse auf die bewusstlose Superintelligenz wie eine Art ... Herzmassage wirken und sie aufwecken."
„Du hast es erfasst. Erst wenn VAIAS erwachender Leib die Splitter seines Bewusstseins wieder einsammelt, kann die furchtbare Inquisition besiegt werden." Der Verkünder verspürte plötzlich wieder eine Spur von Hoffnung. „Und diese Aussicht", sagte er, „rechtfertigt sämtliche Anstrengungen und jedes Risiko."
Die Inquisition der Vernunft Die Reihe der Würdenträger, die sich von Anguela verabschiedeten, ihm das letzte Geleit geben wollten, schien kein Ende zu nehmen. Sie alle sind gekommen, dachte Sickz Uknadi. Sie alle.
Wie damals, als ich auf Jontagu zum Souverän der Vernunft gekürt worden bin. Die Admiräle der Valenter, die führenden Wissenschaftler der Dhyraba'Katabe, Prai Go Kijo, der Progenetiker von Kaaf, und seine 101 Superb-Genetiker, die obersten Repräsentanten der Tonkihn und Vertreter aller anderen Völker, die in Tradom eine Rolle spielten. Einfach alle waren da. Uknadi schaute auf den aufgebahrten Leichnam hinab. Anguelas Angugoles waren konserviert worden; das feine Geflecht der Fäden aus Tymcal-Gold, die sie durchzogen, schimmerte heller denn je. Auf seinem silbernen Stirnband funkelten Lichtreflexe der starken Scheinwerfer.
Er hob den Blick wieder, damit die Aufnahmegeräte die Tränen erfassen konnten, die in seinen Augen standen. Anguela ... sein Freund ... sein Gefährte und Begleiter durch zwei lange Jahrhunderte... Zwei Jahrhunderte ...! Er sah zu dem Progenetiker von Kaaf hinüber und verspürte zum ersten Mal ein echtes Gefühl. Zorn. Du hast schlechte Arbeit geleistet, dachte er. Anguelas Doppelgänger hat sich als nicht allzu langlebig erwiesen. Der Klon ist schon nach zweihundertundzwanzig Jahren gestorben. Ich nenne das Betrug! Noch ein Grund, mit dir ein Wörtchen zu reden. Aber wirklich verloren war damit noch nichts.
Sein Plan war so einfach wie brillant. Er würde das Andenken Anguelas für seine eigenen Zwecke instrumentalisieren und den ehemaligen Verkünder öffentlich als größten Helden des Reichs Tradom verklären. Er konzentrierte sich wieder darauf, Trauer zu zeigen. Und das zu verdrängen, was er tatsächlich verspürte, wenn er die aufgebahrte Leiche betrachtete. Besorgnis und Angst. Denn er fühlte, wie auch seine zehn Inquisitoren, allmählich das Ende seines eigenen Lebens nahen. „Anguela", sprach er in die Aufnahmegeräte. „Du größter Held, der jemals gelebt hat ... Du
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