21st Century Thrill - Mind Games
richtige Leseratten, verloren sich in dem trockenen Zeug aus den Zeitungen und passten von daher viel besser zusammen. Kris gab es einen leichten Stich im Herzen, als er zugeben musste, dass Val für ihn verloren war. Na ja, vielleicht nicht verloren, aber eine Nummer zu groß. Val abzuschleppen war jedenfalls in weite Ferne gerückt. Aber vielleicht war das auch nicht so schlimm. Er hatte andere Probleme.
Kapitel 17
Kris konnte nicht einschlafen. Jon pofte längst auf seinem Hochbett. Sein Schnarchen drang über den Flur zu Kris hinüber. Wegen der drückenden Hitze standen Fenster und Türen offen. Ab und zu strich ein kaum wahrnehmbarer Lufthauch durch die Wohnung.
Schließlich rappelte Kris sich auf und tappte ans Fenster. Im Sommer bekam man alles mit, was in den anderen Wohnungen passierte. Ehepaare zankten, Omas schrien ihre Enkel an und die plärrten zurück. Das Hinterhaus war hell erleuchtet. Wahrscheinlich kann dort auch keiner schlafen, dachte Kris, und zum ersten Mal fühlte er sich getröstet von den vielen Menschen, die um ihn herum atmeten. Wenigstens bekam er mit, dass das Leben auf der Welt weiterging, wenngleich in seiner eigenen alles aus den Fugen geraten war.
Er wusste, dass es keinen Sinn hatte, vielleicht sogar gefährlich war, weil er Akis Entführer auf seine Spur brachte. Dennoch schnappte er sich das Telefon und wählte Akis Nummer.
„Hi! Dies ist Akis AB. Hinterlasst mir eine Nachricht.“
„Aki, bitte melde dich! Du weißt, wo!“ Kris ließ das Telefon sinken. Er war unendlich k.o. Gähnend setzte er sich an den Rechner von Jons Vater. Total beknackt, zu müde zum Einschlafen zu sein! Kris berührte die Maus. Sofort sprang der Bildschirm an. Jon hatte den Computer gar nicht ausgeschaltet. Neugierig durchstöberte Kris die Musikdateien seines Kumpels. Bei den Beatsteaks blieb er hängen. Er stülpte das Headset über und spielte ein paar Songs ab. Die Beatsteaks waren fünf Berliner, die sich in den Neunzigern zu einer Band zusammengetan hatten. Wahrscheinlich hatten sie nicht damit gerechnet, jemals so erfolgreich zu werden. Jon war zum entschiedenen Fan der Beatsteaks geworden und hörte in jeder freien Minute ihre Songs.
Kris checkte die Tunes durch, die Jon sich heute Abend aus dem Internet gesaugt hatte. Einen Song mochte er besonders: Milk & Honey . Das klang soft, aber eigentlich handelte der Text von Typen, die nicht klein beigaben und keinen mit Samthandschuhen anfassten. Sich selbst am allerwenigsten.
Here’s the song for those who never ever sit back and recover, here is the one for those who never shiver, the cool cats I adore .
Kris sang leise mit.
Er hatte nicht vor, klein beizugeben. Seine Schwester brauchte ihn, und er konnte nur was für sie tun, wenn er durchhielt, logisch dachte und herausfand, was da zwischen ihr und Ellen auf dem Boot vorgefallen war. Und vor allem, wenn er endlich erfuhr, wer Aki entführt hatte, zu welchem Zweck und wo er Aki verdammt noch mal versteckte. Er nahm sich vor, gleich morgen die Polizei anzurufen, um nachzufragen, ob sich was getan hatte. Die Meixner hatte Jons Festnetznummer notiert, um Kontakt herzustellen. Aber den ganzen Tag war kein Mensch in der Wohnung gewesen!
Mutlos warf Kris einen Blick auf die drei Papierstapel, die er aus Vals Ausdrucken geformt hatte. Er konnte sich einfach nicht aufraffen, das Zeug zu lesen. Was Ellens Arbeitgeber tat, war ihm schnurz, und all das andere Zeug kam ihm auch nicht besonders prickelnd vor. Stattdessen ging er ins Internet und gab „Psychose“ als Suchbegriff ein. 1.980.000 Treffer. Auf gut Glück klickte er ein paar an. Ziemlich schnell stellte er fest, dass die Begriffe, mit denen die Krankheit beschrieben wurde, nicht viel taugten: Bei Psychoseerkrankungen handelt es sich überwiegend um Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis . Na toll, dachte Kris. Frag deinen Arzt, was mit dir los ist, und du kapierst nichts.
Ihn interessierten vor allem die Symptome der Krankheit. Dabei stieß er immer wieder auf dieselben Beschreibungen:
Die Patienten fühlen sich verändert, manchmal verfolgt. Einige haben das Gefühl, dass ständig jemand etwas von ihnen will oder hinter ihnen her ist. Manche haben Berufungserlebnisse, wollen Großes leisten, fühlen sich einem anderen sehr verbunden, sodass sie bisweilen meinen, jemand anderes zu sein. Zu den typischen Symptomen gehört es, Geräusche und Stimmen zu hören, die eigentlich nicht sein können. Die Patienten sehen Bilder, die
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