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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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herein.
    „Es eilt!“ sagte sie zu ihm.
    „Er kommt sofort“, antwortete er. „Sei mutig, und sei still! Dieser Augenblick wird viel entscheiden. Knie hin zu ihm; du wirst ihm nötig sein!“
    Sie folgte dieser Aufforderung soeben, als Halef die nur noch mit Mühe hervorgebrachten Worte hören ließ: „Er – – – er kommt nicht – – –! Ich muß – – – muß gehen!“
    Da aber gab es draußen lauten Schlag der Hufe. Treppenstufen zu ersteigen, das war dem edlen Ghalib ungewohnt; er schien sich zu weigern.
    „Jallah, kawahm, kawahm – Vorwärts, schnell, schnell!“ erscholl Karas Stimme.
    Da nahm der Braune mehrere Stufen auf einmal und kam von der letzten aus in einem weiten, ärgerlichen Sprung hereingeflogen, um hart an Halefs Lager angehalten zu werden und dort, wie aus Erz gegossen, still zu stehen. Der junge Haddedihn hatte das Messer und die Pistolen in den Gürtel gesteckt, die kunstvoll ausgelegte Beduinenflinte quer über dem Rücken und die lange, doppelschneidige Lanze in der Hand. Das kraftvoll schöne Bild eines Beduinenkriegers, so sah er blitzenden Auges auf den kranken Vater nieder.
    Dieser öffnete die Augen und richtete den Blick zu seinem Sohn empor. Er schien es gar nicht zu bemerken, daß Hanneh ihm die Arme unter Kopf und Schultern schob, um ihn ein wenig aufzurichten.
    „Ghalib – – – der Unbesiegliche – – –!“ sagte er. „Er trägt – – – die Zukunft – – – meiner Haddedihn – – –! Doch die – – – Vergangenheit – – – stirbt nicht – – – stirbt nicht – – –! Die bin – – – bin ich – – – mit ihm die – – – Gegenwart – – –! Ich bleib bei euch – – – bei euch – – –! Ich will – – – ich will – – –! Kara – – – Hanneh – – – mein Leben – –  – kehrt zurück!“
    Er hielt den frohen Blick noch einige Zeit auf Kara gerichtet; dann schloß er die Augen. Hanneh bettete ihn wieder bequem in die Kissen. Mir kam es vor, als ob sein Gesicht jetzt einen ganz, ganz anderen Ausdruck habe, nicht mehr den leichenhaften wie vorher. Kara stieg vom Pferd und führte es so leise wie möglich hinaus. Hanneh sah den Peder ängstlich fragend an. Er nahm sie bei der Hand, zog sie empor und sagte: „Die Hoffnung ist erwacht! Komm mit! Wir wollen ihm einen stärkenden Trank bereiten. Wenn er ihn zu sich nimmt, so wird er gerettet sein!“ Als sie miteinander fortgegangen waren, kam Kara wieder herein, erst für einige Augenblicke zu mir; dann setzte er sich zu seinem Vater, welcher zwar nicht ganz wach zu sein, aber auch nicht zu schlafen schien. Er bewegte bald dieses bald jenes Glied in einer Weise, welche darauf schließen ließ, daß es nicht unwillkürlich, sondern absichtlich geschehe. Dann kehrte der Peder mit Hanneh zurück. Ich vermutete, daß in dem Gefäß, welches sie trug, von demselben ausgepreßten Fleischsaft sei, der auch mich so gestärkt hatte. Er wurde Halef mit Hilfe des Löffels gegeben; er weigerte sich nicht, ihn anzunehmen, und fiel dann sogleich in einen ruhigen Schlaf, von dem der Peder sagte, daß er wenigstens bis zum nächsten Morgen dauern werde.
    Hanneh und Kara waren unbeschreiblich glücklich hierüber und stellten, als ich mich jetzt wieder wie gestern hinaus in das Freie schaffen lassen wollte, die Bitte an mich, ihnen da draußen zu erzählen, was ich seit unserer Trennung von den Haddedihn mit Halef erlebt hatte. Dagegen aber erhob der Peder ganz entschieden Einspruch. Er wies sie auf die Anstrengungen ihres eigenen Rittes hin und machte sie allen Ernstes darauf aufmerksam, daß sie sich jetzt unbedingt ganz gründlich auszuruhen hätten. Halef bedürfe ihrer heut nicht mehr, da sowohl er als auch Schakara in bester Weise für ihn sorgen würden. Sie mußten gehorchen, und so kam es, daß ich dann später ganz allein draußen vor der Halle saß, um dasselbe Schauspiel des Sonnenuntergangs zu genießen, welches mich gestern schon so erhoben hatte.
    Wie viele Menschen habe ich schon sagen hören, daß man die Schönheiten der Natur niemals allein, sondern stets in Gesellschaft genießen müsse. Ich bin da ganz anderer Meinung. Schon das Wort ‚genießen‘ scheint mir da falsch gebraucht zu sein. Ich könnte mit ganz demselben Recht sagen, daß ich eine Predigt, ein Oratorium, ein Kirchenlied ‚genießen‘ wolle. Auf mich wirkt die Natur erhebend, und zugleich veranlaßt sie mich zur

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