22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
Feindseligkeit nur um des wahren Christentums willen! Wir wissen es; du brauchst es nicht zu verschweigen. Ein einziges Wort Christi, welches dieser so und jener anders deutet, kann bei euch die Liebe, welche der Heiland predigte, in den grimmigsten Haß verwandeln. Wir haben gehört von – – – doch du hast ja geschwiegen, und da habe auch ich still zu sein. Wirst du heut wieder hinaus auf den Platz gehen?“
„Ja, und zwar sogleich.“
„So werde ich dir die Kissen hinausschaffen lassen. Soll ich dich führen?“
„Nein. Ich danke dir! Der Stock genügt vollständig.“
Ich stand auf und ging zunächst zu meinem Hadschi Halef Omar hin. Sein Gesicht gefiel mir heut mehr als gestern. Hanneh sah, daß ich mich freute. Sie gab mir froh die Hand. Hierauf begab ich mich hinaus, die Stufen hinunter und dorthin, wo ich gestern gesessen hatte. Noch war ich nicht lange da, so kam Pekala. Sie hatte in der einen Hand ein Körbchen mit Pflaumen und in der anderen einige Rosen.
„Ich habe auf dich gewartet, Effendi“, sagte sie. „Unser Ustad sendet dir diese Früchte, und ich lege diese Rosen hinzu, weil du beide, die Früchte und die Blumen, liebst.“
„Sag dem Ustad meinen Dank; dir gebe ich ihn selbst!“
„Du sollst täglich welche haben, so lange es welche gibt. Erlaubst du mir nun eine Frage?“
„Gern. Aber welche?“
„Ich möchte so gern wissen, ob du gestern abend mit meiner Frenk maidanosu-Suppe zufrieden gewesen bist.“
„Sie war gut.“
„Wirklich?“
„Ja.“
„Erinnerst du dich an das, was du mir versprochen hast, falls sie dir schmecken würde?“
„Ah! Du meinst die Erziehung?“
„Ja. Du versichertest, mir eine Antwort zu geben.“
„Nun wohlan!“ Ich machte eine sehr ernste Miene und fuhr fort: „Ich gebe dir zu, daß du recht hast: Wir Männer bedürfen noch alle der Erziehung!“
„Oh, Effendi, wie bist du verständig und einsichtsvoll! Was du sagst, ist immer richtig! Ihr habt noch viel zu lernen!“
„Aber wir werden es lernen, damit wir dann auch die Frauen erziehen können.“
„Wen?“ frage ich rasch.
„Die Frauen. Oder meinst du, daß es besser für euch sei, unerzogen zu bleiben?“
„Effendi, jetzt höre ich, daß das, was du sagst, doch nicht immer richtig ist!“
„Das schadet nichts, liebe Pekala. Wir irren alle. Du nicht zuweilen auch?“
„Ja, zuweilen; aber in betreff der Erziehung weiß ich, was ich weiß. Da kommt unser Peder. Er scheint zu dir zu wollen. Erlaube, daß ich gehe!“
Sie entfernte sich, um in ihre Küche zurückzukehren. Der Peder kam die Stufen herunter und zu mir her. Ich bot ihm eines der Kissen an, und er setzte sich nieder. Er erzählte mir in Beziehung auf die gefangenen Soldaten, was ich bereits von Schakara erfahren hatte. Da kam ‚das Kind‘ von links, wo sie steckten, herüber und meldete ihm, daß der Suari Juzbaschysy behauptete, sehr notwendig mit ihm zu sprechen zu haben. Er erhielt die Weisung, ihn zu holen.
Als der Rittmeister gebracht wurde, war sein Auftreten keineswegs so selbstbewußt wie gestern, als er kam. Er hielt den Kopf gesenkt. Der Stolz war ihm benommen; aber aus seinem Auge sprach der zurückgehaltene Grimm.
„Was willst du von mir?“ fragte der Peder.
„Alles!“ antwortete er.
„Was verstehst du unter diesem alles?“
„Alles, was ihr uns abgenommen habt; dazu die Waffen, die Freiheit und die Pferde!“
„Wenn du nichts weiter willst als das, so kannst du wieder gehen. Was wir haben, das behalten wir.“
„Es gehört aber uns!“
„Euch?“
„Ja.“
„Sagtest du gestern nicht, daß es das Eigentum des Schah-in-Schah sei?“
„Das war auch richtig. Er hat es uns anvertraut. Wir haben ihm Rechenschaft darüber abzulegen.“
„Das ist nun nicht mehr nötig, weil ich ein Verzeichnis aufstellen werde. Was ihm gehört, wird er dann von mir bekommen. Ich betrüge ihn nicht.“
„Du – bist – sehr unvorsichtig, Peder!“ knirschte der Rittmeister.
„Du hast mich Scheik zu nennen, nicht Peder. Merke dir das! Ein Vater von Dieben bin ich nicht!“
„Diebe? Wir sind Soldaten! Ich bin Offizier!“
„Wo sind eure Uniformen? Ah, du schweigst?“
Der Rittmeister hatte vor Zorn die Hände geballt, die rechte halb erhoben. Da sah ich an ihr einen Ring, der mir auffiel. Er war von weißem Metall und hatte eine achteckige Platte. Ich schaute schärfer hin. Der Rittmeister war in seinem Zorn an den Peder herangetreten. Er stand mir noch näher, so nahe, daß ich auf
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