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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gar nicht. Fast schämte ich mich, diesen scherzenden Vorwurf ausgesprochen zu haben. Man sieht: Die Sittenrichterei kann selbst im Scherz den Ankläger an Stelle des vermeintlichen Delinquenten schlagen. Wie gefährlich mag sie da wohl erst im Ernst sein!
    Wir gingen weiter, waldaufwärts. Es führte uns ein Weg zwischen hohen Bäumen hin. Es war ein sichtbar wenig benutzter Seitenweg.
    „Hier geht nur er“, sagte Tifl.
    „Wer?“
    „Er! Du mußt es raten!“
    Selbstverständlich riet ich nun den Ustad. Nach einiger Zeit kamen wir an einen vor langen Jahren freigemachten Platz, in dessen Mitte ein großer, weitästiger Birnbaum stand. Er hing voll schöner, reifer Früchte. Die hohen Waldbäume gewährten ihm Schutz. Sonst hätte er in dieser Höhe nicht gedeihen können.
    Unter ihm stand – ich staunte! – ein wohlgedeckter Tisch. Eine Holzplatte auf in die Erde geschlagenen Beinen, nicht niedrig, wie die orientalischen sind. Vor ihm zwei hohe Bänke, auf denen man ganz nach europäischer Art sitzen konnte. Er war mit einem weißen Tuch belegt, auf welchem weißporzellanene Schalen und Teller, auch eine Weinflasche mit Glas, meiner warteten. Es gab kalte Küche, fein säuberlich verteilt.
    Und wer stand da bei diesen Herrlichkeiten? In ihrer ganzen blitzblanken Sauberkeit? Strahlend vor Stolz und Freude? Mit liebevollen Äuglein und rotblühenden Rosenwänglein? Natürlich Pekala, die Köstliche, heut meine Festjungfrau in wahrster Wirklichkeit!
    „Sei willkommen, Effendi!“ rief sie mir entgegen. „Ich habe für dich angerichtet. Auch Pflaumen sind da. Tifl hat sie für dich gepflückt. Der Ustad gebot es ihm.“
    Ich reichte ihr die Hand.
    „Pekala, was bist du doch gut!“ sagte ich.
    „Gut muß man immer sein; das ist ja Pflicht. Und man ist es auch so gern! Man will ja gar nicht anders sein! Aber euch, euch, Effendi, möchten wir doch recht, recht glücklich machen! Euch möchten wir die größte Liebe zeigen, die wir haben!“
    „Warum grad uns, du Liebe? Es sind so viele Menschen da, und es gibt doch wohl nur eine einzige Liebe für sie alle!“
    „So sagt auch der Ustad, ganz genau so. Aber ihr macht es uns so leicht, und andere machen es uns so schwer. Doch, was sagst du zu diesem Tisch, Effendi?“
    Sie stemmte die Arme in die Seiten und schaute mich an, als ob ich etwas ganz Unbegreifliches anzustaunen habe.
    „Wunderbar!“ antwortete ich.
    „Ja, es ist auch wirklich wunderbar! Siehst du das herrliche Fakhfuri takymy (Porzellangeschirr)?“
    „Ja. Weiß wie frischer Schnee!“
    „Das grüne Scharab kardehi (Weinglas)?“
    „Grad wie Smaragd!“
    „Das Sofra bezi (Tischtuch) mit geblümten Mustern?“
    „Sehr schön! Das hast wohl du geplättet?“
    „Ja. Aber wir haben kein Ütü (Plättglocke) hier. Ich habe ein Hackebeil heiß gemacht und ein Papier dazwischen gelegt. Da ging es auch. Weißt du, wer eine Türkin ist, der weiß sich stets zu helfen!“
    „Wie schade da, daß ich keine bin!“
    „Effendi, klage nicht! Du bist ja ohnedies auch recht klug. Es kann nicht jedermann eine Türkin sein. Es muß auch andere Völker geben! Aber siehst du auch das Imek takymy (Eßbesteck) mit den blankgeputzten Griffen? Hab ich es richtig hergelegt?“
    „Ja, denn ich nehme es da weg, wo es liegt. Ganz fein aber ist es, wenn das Messer rechts und die Gabel links liegt.“
    Ich wollte sie doch nicht eines Fehlers zeihen; darum drückte ich mich in dieser Weise aus. Sie wechselte aber das Besteck schnell um, indem sie sagte:
    „Du bist für mich der feinste Mann, und ich denke, daß du mich auch für eine feine Dienerin hältst. Machen wir es also nicht wie für gewöhnliche Leute, sondern fein. Bemerkst du auch den Tapa tschekedscheji (Korkzieher)? Du siehst, wir haben alles. Du sollst die Flasche doch nicht in der Weise öffnen, wie Tifl damals tat, indem er die Hälse herunterschlug. Dann ist es kein Wunder, wenn man betrunken wird!“
    Diese Betrachtung lenkte ihre Aufmerksamkeit auf ‚das Kind‘. Sie drehte sich nach ihm um und sagte:
    „Ich bediene den Effendi selbst. Du kannst gehen!“
    Er tat zwei Schritte, blieb dann aber stehen.
    „Nun, warum nicht?“ fragte sie.
    „Weil ich es doch auch einmal sehen möchte.“
    „Was?“
    „Das Tuch und das Porzellan und alle die seltenen Sachen da auf dem Tisch.“
    „Schau dir es nachher an!“
    „Und auch, wie der Effendi fränkisch sitzt und ißt.“
    „Das würde ihn stören!“
    „Und wie schön und fein du ihn bedienst,

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