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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sterben. Der Halef in mir ist noch nicht geschickt dazu; der Hadschi würde ihn zur Tiefe reißen. Die Hand, die Hand, sie soll so oft wie möglich wiederkommen! Sie soll dem Halef helfen – helfen – hel – – – hel – – –!“ Er sprach immer langsamer, langsamer und leiser, bis bei der letzten Silbe die Bewußtlosigkeit wieder über ihn kam. Schakara griff zur Harfe, deren Akkorde ich erst deutlich hörte; dann schien es, als ob sie sich entfernten, bis sie endlich ganz verklangen – – – ich war eingeschlafen.
    Eingeschlafen? Es war mehr als bloß nur Schlaf. Ich erfuhr später, daß ich fast zwei Tage lang gelegen hatte, ohne mich ein einziges Mal zu bewegen. Ein ganz entsetzlicher Frost war die Veranlassung, daß ich erwachte. Drüben in der anderen Ecke waren mehrere Männer beschäftigt, Halef mit kaltem Wasser und Tüchern zu frottieren. Die Luft kam mir verschlechtert vor. Es roch trotz der frischen Veilchen, welche ich sah, so dumpf, so moderig, fast wie nach Leiche. Ah! Da kam die Erkenntnis: Ich selbst war es, von dem dieser Geruch ausging, der ein Symptom des Petechialtyphus ist! Nun wußte ich, daß eine wochenlange Betäubung sich meiner bemächtigen werde. Also darum die Veilchen! Diese Blumen hatten bei mir denselben Zweck wie dort bei Halef die Rosen. Es wurde mir himmelangst, mehr um ihn als um mich. Ich wollte die Männer fragen, brachte aber kein Wort über die Lippen. Doch dauerte dieser Zustand nicht lange, da mir das Bewußtsein sehr bald wieder schwand. Später erinnerte ich mich, zuweilen kaltes Wasser an meinem Körper gefühlt und scharfen Salmiak gerochen zu haben. Auch war es mir, als ob Halef mich gerufen und vom Sterben gesprochen habe. Dann, als ich zwei volle Wochen so gelegen hatte, stellte sich die erste, deutliche Empfindung bei mir ein: Ich fühlte die Hand des Ustad auf meiner Stirn.
    „Er lächelt!“ sagte er. „Wie todesmatt! Vielleicht schlägt er die Augen auf!“
    Ich versuchte es zu tun, doch gelang es mir nur halb. Da beugte sich der Ustad zu mir nieder und sagte: „Ich sehe, daß du mich verstehst. Sei getrost; du bist gerettet! Auch Halef lebt noch. Er ist noch nicht erwacht. Wenn er es tut, ist es vielleicht zum Leben!“ Hierauf schlief ich sogleich wieder ein. Die späteren Erinnerungen erzählten mir, daß Schakara sehr oft bei mir kniete und mir wie einem Kind mit einem Löffel dünne Speise gab. Ich war so schwach, daß ich kaum schlucken konnte. Hierbei freute ich mich unendlich über die Entdeckung, daß der schlimme Geruch verschwunden war. Fast noch größere Freude bereitete mir der Anblick einer vor meinem Lager errichteten Pyramide, an welcher meine Waffen, meine Kleidungsstücke und Assils Zaum- und Sattelzeug hingen. Das war ein Zeichen liebevollster Aufmerksamkeit.
    „Assil“, entfuhr es meinen Lippen. „Ich sehne mich nach ihm.“
    „Willst du ihn sehen?“ fragte die Kurdin.
    „Ja.“
    Sie ging nicht, ihn bringen zu lassen, sondern sie trat nur unter den Eingangsbogen hin und rief den Namen des Rappen. Er war also da draußen in der Nähe. Ich hörte seine nahenden Schritte und sein mir so liebes, zutrauliches Schnauben. Es gab vom Vorplatz aus ein Dutzend Stufen zu ersteigen. Einige Schmeichelworte von ihr veranlaßten den Rappen, heraufzukommen. Daraus erkannte ich, daß sie sich viel mit ihm beschäftigt hatte. Ich sah neben der Säule, an der sie stand, seinen charaktervollen, schön gezeichneten Kopf erscheinen, den sie liebkosend an sich drückte. Er legte seine Lippen an ihre Wange. Das war der Kuß, mit dem er außer mir nur noch Halef auszuzeichnen pflegte. Er hatte sich also mit Schakara ganz ungewöhnlich zusammengefreundet.
    „Assil!“ rief ich ihn. Meine schwache Stimme klang allerdings gar nicht laut dabei. Er stutzte. „Assil, lihene – hierher!“ Da kam er mit einem schnellen, kurzen Satze vollends herein und schaute sich um. Ich streckte ihm die Hand entgegen. Er näherte sich, blieb bei mir stehen und sah mich lange zweifelnd an.
    „Er kann dich nicht erkennen, denn du siehst dir nicht mehr ähnlich“, sagte Schakara.
    „Assil, mein Lieber, mein Braver, mein Treuer, mein Liebling!“
    Da kam er ganz zu mir heran, um mich in nächster Nähe zu beriechen. Er berührte meine Hände, mein Gesicht. Und nun warf er plötzlich den Kopf hoch empor und stieß ein drei-, viermal wiederholtes und so eigenartiges Wiehern aus, wie ich es noch nie von ihm gehört hatte. Hierauf ließ er Schwanz und Ohren

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