2204 - Planet der Mythen
Fremden nicht besonders gut. Trotzdem konnte er in dessen Gesicht lesen, wusste genau, was für ein Staunen und Entsetzen sich darin spiegelte.
Jeder reagierte so, wenn er den Sturm zum ersten Mal sah.
Er selbst blickte nur einen kurzen Moment zurück auf den gewaltigen, den Himmel verdeckenden roten Wirbel. Eis und Schnee wurden in ihn hineingerissen und prasselten so laut gegeneinander, als würden Millionen Scheiben zersplittern.
Riesige Schneebrocken bildeten sich aus einzelnen Flocken, kreisten in eigenen kleineren Wirbeln so wie Vögel um eine eisige Sonne. Manche wurden zu schwer, lösten sich und schlugen als zerplatzende Geschosse im Boden ein, nur um vom Sturm wieder emporgerissen zu werden.
Rif duckte sich und beschleunigte den Schlitten, als auch Rho Dan vor ihm schneller wurde. Die rettenden Berge, hinter denen sich das Lager befand, wollten einfach nicht näher kommen.
An ihren Steilwänden würde der Schnee in einer großen Lawine niedergehen und die Wirbel würden enden. Nur der Wind hüpfte über die Gipfel hinweg. Alles andere blieb zurück.
Doch es war noch ein weiter Weg bis zu den Bergen.
Aus den Augenwinkeln sah Rif, wie Shar sich flach auf den Schlittenboden presste. Der Wind hatte die Kapuze seines Mantels längst abgerissen und zerrte jetzt an seinem Körper. Rif hatte die Beine um die Steuerkonsole geschlagen, um sich abzustützen, Shar konnte sich nur mit den Händen an einer Metallstange festhalten. Bei manchen Bodenwellen hob sein ganzer Körper für einige Lidschläge ab, bevor er wieder auf dem Schlitten aufschlug.
Shars Zähne waren vor Angst und Anstrengung gefletscht, die Augen hielt er fest geschlossen. In einer alten Legende hieß es, der Sturm würde die verschonen, die nicht in sein Auge blickten. Rif wusste nicht, ob Shar die Legende kannte.
Er wich einigen Felsen aus, die unter dem Eis hindurchschimmerten.
Die ersten Ausläufer des' Gebirges streckten sich ihm entgegen. Rho Dan raste daran vorbei, sicher geleitet von Kem. Rif folgte ihm, ohne nachzudenken. Kem las die Zeichen des Lands besser als jeder andere Vay Shessod.
Beinahe hätte er den Schlitten verrissen, als ein Eisbrocken, doppelt so groß wie ein Keyzen, neben ihm einschlug und mit einem Knall auseinander platzte. Eisnadeln schossen durch die Luft, durchschlugen das Leder seines Mantels und drangen in seinen Körper ein.
Eine bohrte sich in seine Wange, unmittelbar unter seinem sehenden Auge. Die Angst zu erblinden war schlimmer als der Schmerz.
Rif schrie. Seine Hände lösten sich wie von selbst vom Steuer, um sein Gesicht zu schützen. Der Schlitten begann zu schlingern. Der Steuerhebel schwang von einer Seite zur anderen. Kufen knirschten über Steine.
Ein heftiger Ruck schleuderte Rif gegen den Antrieb. Am Boden winselte Shar so laut, dass man ihn über den Sturm hinweg hören konnte.
Das Geräusch war wie ein Schlag, der Rif aus seiner Panik riss. Er blinzelte Blut und Wasser aus seinem Auge und kam auf die Knie. Das Hämmern des Schlittens warf ihn auf und ab, machte es fast unmöglich, aufrecht zu bleiben. Er warf sich nach vorne. Seine Hände schlossen sich um den Steuerknüppel. Die rechte Kufe hob für einen Moment ab, die linke knirschte unter der Belastung.
Ganz nah vor sich sah Rif das Gebirge. Die Schlucht, in die Rho Dan jetzt seinen Schlitten lenkte, erschien ihm viel zu schmal. Doch sie war die letzte Chance, die sie hatten. Der Sturm war bereits zu nah.
Funken stoben hoch, als Rho Dans Schlitten die Felswand berührte, aber er fuhr weiter. Rif folgte ihm, die Zähne zusammengepresst, die Hände so fest um das Steuer geschlossen, dass seine Finger schmerzten. Metall riss, der Antrieb heulte auf. Es stank nach verbranntem Plastik.
Rif senkte die Geschwindigkeit nicht. Hinter ihm prallte der Sturm machtvoll wie ein Ozean aus Eis und Schnee gegen das Gebirge. Er wurde eingehüllt in. eine graue Wolke, die ihm den Atem und die Sicht raubte.
Die Felsen waren nicht mehr als dunkle Silhouetten, die unvermittelt aus dem Nichts auftauchten.
Irgendwann war es vorbei. Er ließ die Wolke und die Schlucht hinter sich und fuhr hinaus in die offene Landschaft am Fluss. Nur wenig später erreichten sie das Lager, fuhren mit den Schlitten bis in die Höhle hinein.
Zwei Männer mussten Rifs Finger vom Steuer lösen, so verkrampft hatte er sich. Und als sie schließlich beim Essen zusammensaßen, nahm Rif Kotol Kem Shar zur Seite.
„Ich weiß, wie wir den Fremden danken können", sagte
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