2206 - Gesang der Hoffnung
seine rednerische Gabe. Das Brennen war seine eigentliche Triebfeder, hatte ihn dorthin gebracht, wo er heute stand. Doch das Brennen war ein schwieriger Gefährte. Einmal hatte er ihm gegen besseres Wissen nachgegeben, verfrüht gehandelt. Es hatte Jahre gedauert, sich wieder zurück an den Punkt zu kämpfen, an dem er vom Weg abgekommen war.
Er musste Geduld haben. Seit zwei Jahren erst war er Direktor der Minen, zu früh, um den nächsten Schritt zu wagen. Es dauerte seine Zeit, potentielle Verbündete auszumachen, Gegner und Hindernisse zu identifizieren, bis die Saat der Unzufriedenheit aufging, die er säte.
Es gelang ihm, sich zu beherrschen. Das Brennen begleitete ihn auf Schritt und Tritt, doch seine Glut war ein Feuer, an dem er sich innerlich wärmte, keines, das ihm seinen Willen aufzwang. Bislang.
Die Positronik meldete sich. „Du hast einen Anruf. Famah-Kybb-Cepra will dich sprechen."
„Einen Augenblick!" Karter sprang vom Liegebett auf, schob den Pokal mit dem Drogencocktail aus dem Erfassungsbereich der Kameras und versicherte sich, dass seine Uniform und die roten Spitzen seiner Stacheln richtig saßen. „Stell ihn durch!"
Das spitze Gesicht Cepras materialisierte in einem Holofeld. Die Streifen, die sich von den Augen ausgehend über den Kopf zogen, waren von einem stumpfen Grau und nur schwer zu erkennen. Der Gouverneur des Systems war ein alter Mann - und, so schien es Karter, ein müder dazu.
Wieso tust du nicht dir und uns allen einen Gefallen, dachte der Direktor, und trittst ab? „Du willst mich sprechen, Gouverneur?", fragte Karter verwundert. „Ich habe vorhin erst meinen täglichen Bericht geschickt. Unter meiner unermüdlichen Führung ist es uns gelungen, die neuen, erhöhten Förderquoten zu erfüllen. Was ..."
„Den Bericht habe ich gelesen", fiel ihm Cepra ins Wort. „Er ist obsolet. Ab sofort gilt eine neue Förderquote. Sie wurde eben der Minenpositronik übermittelt."
Karter rief die neue Quote ab. Die Spitzen seiner Stacheln vibrierten, als er die Zahlen erfasste. „Das ist nicht dein Ernst! Wenn wir versuchen, sie zu erfüllen, bricht der Betrieb der Minen innerhalb einer Woche zusammen."
„Das ist eine bloße Behauptung."
„Nein!", rief Karter. „Die Motana sind schwache Wesen, nicht belastungsfähig. Sie werden sterben wie die Fliegen. Wir werden keinen Ersatz für die Toten finden, nicht schnell genug. Und die neuen Arbeiter werden zwangsläufig langsamer sein, da ihnen die Erfahrung fehlt."
„Willst du damit sagen, dass du deine Aufgabe nicht erfüllen kannst?", fragte der Gouverneur. Seine Stacheln zogen sich drohend zusammen. „Nein, natürlich nicht! Ich will damit sagen, dass diese Quote Unsinn ist! Wir schneiden uns ins eigene ..."
„Diese Quote ist ein Befehl. Willst du einen Befehl des Kybernetischen Kommandos verweigern?"
„Nein!"
„Gut. Dann erfülle ihn!"
Karters Gedanken überschlugen sich. Was konnte er tun? Verweigerte er den Befehl, würde er seinen Posten verlieren. Erfüllte er den Befehl, würde er seinen Posten genauso loswerden, da es in einer Woche keine funktionsfähige Mine mehr geben würde. Niemand würde ihm abnehmen, dass es nicht seine Schuld war. „Ich werde Verbindung mit dem Kybernetischem Kommando aufnehmen", sagte er schließlich. „Mich über diesen unsinnigen Befehl beschweren!"
„Nur zu! Ich hindere dich nicht daran. Bis du aber deine Beschwerde vorgetragen hast, wirst du meinen Befehlen folgen. Verstanden?"
„Ja ..."
„Gut."
Das Holo erlosch. Karter machte einen Satz, ging schwer stampfend auf und ab. Seine Drohung war hohl gewesen, Cepra hatte es so gut gewusst wie er selbst. Seit Tagen war es unmöglich, Funkverbindung mit dem Kybernetischen Kommando zu bekommen. Über die Gründe war nichts zu erfahren, keine seiner Quellen in der Hauptstadt hatte ihm brauchbare Informationen liefern können.
Mit einer Ausnahme: Selbst Famah-Kybb-Cepra kommunizierte offenbar mit dem Kommando nur noch per Kurierschiff. Doch ein solches konnte selbst er, Raphid-Kybb-Karter, der alles bekam, was er wollte, nicht auftreiben.
Immer schneller ging der Kybb-Cranar auf und ab. Was konnte er tun? Egal, wie er sich verhielt, er würde in kurzer Zeit vor dem Scherbenhaufen seiner Karriere stehen. Karter zermarterte sich den Kopf, doch die Antwort, die er schließlich bekam, stieg aus seinem Inneren auf.
Sie bestand aus einem übermächtigen Brennen. Dem Brennen seines Ehrgeizes.
Er würde sich ihm nicht mehr länger
Weitere Kostenlose Bücher