2212 - Menschheit im Aufbruch
zu.
„Reaktorkern durchbricht die innere Abschirmung. Explosion in einer Minute und acht Sekunden ..."
Der Kapitän erweckte die Hauptschaltflächen der Kommandostation zu neuem Leben. Viele Funktionen erwiesen sich als nicht ansprechbar.
„Paratronabschirmung aufbauen!"
„Paratron nicht aktivierbar ..."
Immer noch wimmerte der Alarm. Vorübergehend stabilisierten sich die Anzeigen für den HÜ-Schirm, aber schon Sekunden später wechselten alle Balkenskalen zu düsterem Rot. Energieabfall auf sämtlichen Übertragungskanälen, sogar die Notversorgung versagte.
Vergeblich versuchte jemand, Verbindung zu den Technikern auf den Energie- und Triebwerksdecks aufzunehmen. Der Mann schrie sich die Kehle heiser.
„... eine Minute vier Sekunden ..."
„Notauswurf der Nugas-Kugeln!", befahl der Kapitän.
Eine schematische Darstellung auf dem Panoramaschirm zeigte die Position der Brennelemente. Die Zeit reichte kaum noch. Zudem standen die Füllanzeigen der Speicherbänke bei knapp dreißig Prozent, mit diesen Energiereserven würde sich der Frachter nicht lange im Überlichtflug halten können. Die Brennstoffkugeln wurden ausgestoßen.
„Durchschmelzen des Reaktorkerns in fünfzehn Sekunden ..."
„Unmöglich! Die Elemente sind raus, sie ..."
Routinemäßig griff Adams zum Nackenwulst seines Schutzanzugs. Der Transparenthelm blähte sich auf, der Checkablauf der Lebenserhaltungssysteme erschien im Headup-Display. Aus Sicherheitsgründen trug niemand mehr einen SERUN mit hochgezüchteten Funktionen. Die einfachen Raumanzüge hatten allerdings der Gewalt einer Reaktorexplosion wenig entgegenzusetzen.
Zwei Sekunden ...
Sein Individualschirm auf HÜ-Basis war aktiv. Homer G. Adams schloss die Augen; er fürchtete, dass der Explosionsblitz den Blendschutz des Helms durchschlagen würde. Tief im Schiffsbauch schmolz in diesem Moment sogar molekular gehärteter Stahl. Atomare Glut schoss durch die Korridore und Liftschächte, deren Wände innerhalb von Sekundenbruchteilen wie Papier verbrannten.
Ein letzter hastiger Atemzug noch, danach musste alles vorbei sein. Adams empfand Bedauern, keinen Zorn. Dreitausend Jahre waren mehr, als er jemals hätte erhoffen dürfen.
Trotzdem schmerzte ihn die Bitternis dieser Erkenntnis. Ausgerechnet in einer Situation, in der die LFT bald auf ihn angewiesen sein würde ...
Ein dumpfes Grollen durchschlug die Isolierungen, gefolgt von einem prasselnden Stakkato und dem schrillen Kreischen berstenden Stahls. Sekundenlang wurde die Zentrale in völlige Finsternis getaucht, dann sprang die Notversorgung an.
„Geschwindigkeit sinkt rapide ab!", meldete jemand.
„Völlig egal." Vergeblich versuchte der Kapitän, eine Verbindung zu den Maschinenräumen zu bekommen. „Wir leben noch, das ist wichtig, und ich will wissen, warum."
Die Explosionsgeräusche hielten an. Deutlich war ein Vibrieren der Schiffszelle wahrzunehmen, schwere Erschütterungen schlugen in immer kürzeren Abständen durch.
Endlich baute sich eine Verbindung zu den Maschinenräumen auf. Eine verzerrte Stimme kämpfte gegen das anhaltende Knistern und Prasseln an. „Mehrere Tote ... Wir versuchen, zu den Eingeschlossenen vorzudringen ... und zugleich die Brände zu löschen. Speicherbänke sind explodiert."
„Was ist mit dem Reaktor los? Die Nugas-Kugeln wurden alle ausgeworfen."
„Keine Rede davon ... Reaktor ist abgeschaltet ... Alles andere sind Fehlanzeigen; wir stellen das hier auch fest. Es muss mit dem Hypersturm zu tun ..." Von einem Augenblick zum anderen gab es keine Sprechverbindung mehr. Rauch quoll aus den Schächten der Luftumwälzung, mehrere Arbeitsstationen hörten einfach auf zu funktionieren.
„Überlichtgeschwindigkeit ist nicht mehr nachweisbar!"
„Außenbeobachtung?"
Der Panoramaschirm zeigte nur ein fahles Glimmen im Zentrum. Mit etwas Glück war das Sol. Aber völlig sicher war sich Adams nicht. Niemand konnte behaupten, dass der Frachter noch auf Kurs lag. „Das Kompensationsfeld schwindet von ..."
„Achtung: Unkontrollierter Rücksturz steht bevor. Was immer uns erwartet, wir ..."
Schlagartig griff ein durchdringendes Licht um sich, es schien die Stahlwände ebenso aufzulösen wie die Körper der Menschen.
Das Schiff schrie. Einen anderen Ausdruck hatte Adams nicht für das schrille Kreischen, das ihm fast die Besinnung raubte. Räumliche Begriffe existierten nicht mehr, die Welt, wie er sie kannte, schien in einem winzigen Punkt zu kollabieren – in einer Dimension,
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