2212 - Menschheit im Aufbruch
sie sich ihrer selbst gestellten Aufgabe. Es gab noch sehr viel zu tun.
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Mehr als 50 Stunden Arbeit ohne Pause waren für ihn keine Seltenheit.
Dennoch spürte Myles Kantor eine allmählich aufkommende Müdigkeit. Selbst ein Aktivatorträger kam nicht ohne Schlaf aus.
Sein Blick suchte die altertümliche Uhr, die er in Reichweite aufgestellt hatte. Vorübergehend folgte er der monotonen Bewegung des Sekundenzeigers. Uhren machten die Zeit sichtbar, sie waren nichts anderes als einfache Messvorrichtungen für eines der faszinierendsten Phänomene der Schöpfung überhaupt. Dabei waren sie alles andere als unbestechlich. Selbst die modernsten Sensoren, die sich die Schwingung des kosmischen Hintergrunds zu Eigen machten, unterlagen unerklärlichen Schwankungen.
Manchmal sprach Myles von der Illusion der Zeit als einer der perfektesten Täuschungen überhaupt.
Gedankenverloren massierte er die leicht juckende Stelle unterhalb seines linken Schlüsselbeins. Erst nach einigen Augenblicken fiel ihm auf, dass genau dort der Aktivatorchip unter der Haut saß. Seit er das Plättchen trug, das ihm die potenzielle Unsterblichkeit verlieh, hatte die Zeit endgültig jeden Schrecken für ihn verloren. Eines Tags wollte er ihr Geheimnis enträtseln. Zukunft und Vergangenheit lagen eng beieinander, doch während Vergangenes weitgehend festgefügt erschien, blieb die Zukunft formbar. Der Sekundenzeiger Jeder Uhr war nichts anderes als ein banales Hilfsmittel, das die Verhärtung von Quantenschwingungen anzeigte. Mit einem unwilligen Kopfschütteln konzentrierte sich der Wissenschaftler auf die Gegenwart und auf seinen Besucher. An einer Wand seines Labors hatte er einen Folienplan von Terrania aufgehängt. Die bunt bedruckte Folie erfüllte ihren Zweck ebenso gut wie ein aufwändiges Hologramm, das zudem kostbare Energie verzehrt hätte.
Die stilisierte Abbildung maß mehrere Quadratmeter. Leuchtpunkte markierten die Standorte der Energieversorger. Die ehemaligen Zapf anlagen sowie unterschiedlich dimensionierte Gravitrafspeicher konzentrierten sich zwischen den kreisförmig angelegten Stadtteilen und im Bereich der Raumhäfen.
Schnellen Entscheidungen war zu verdanken, dass die Speicherladungen rechtzeitig zurückgefahren worden waren. Andernfalls hätten verheerende Explosionen weite Stadtbereiche in Schutt und Asche gelegt. Zum Glück gab es nur zwei firmeneigene Gravitrafs, deren Spontanentladung in der Nacht zum 11. September Schäden angerichtet hatte. Lediglich drei Markierungen zeigten herkömmliche Kraftwerke.
Sie lagen im Bereich der unterirdischen Flussführung des Edsengol und des Sirius River.
„Mittlerweile werden von diesen Kraftwerken zwei Automatfabriken unter dem Gobipark und vor Monggon-Ost versorgt", sagte Homer G. Adams nachdenklich. „Gibt es schnell realisierbare technische Möglichkeiten, ihre Leistungsabgabe zu vergrößern?"
Für die Entscheidung, welche Fabriken schnell wieder hochgefahren wurden, waren kurze Wege entscheidend gewesen. Beide Werke produzierten inzwischen unter Hochdruck dringend benötigte Steueranlagen, die weitere Fabriken auf das benötigte niedrige technische Niveau bringen sollten.
„Die positronischen Überwachungselemente wären zu schwach", erklärte Kantor.
Von der Kapazität her war vorgesehen, ein oder zwei weitere Werke täglich in den Produktionsprozess mit einzubeziehen. Zuerst die, deren Produktpalette schon weitgehend umgestellt worden war. Homer G. Adams nickte beiläufig, nicht zufrieden, das konnte er unter den gegebenen Umständen keinesfalls sein, aber doch zuversichtlich. Die Produktion von Kraftwerkselementen lief schon in einer ersten 24-Stunden-Schicht, und die Positronik-Fertigung hinkte nur wenige Stunden hinterher.
Die Planung sah an mehreren Standorten deutliche Einschnitte vor. Um- und Anbauten würden manchen Produktionsprozess unnötig verzögern, an solchen Positionen waren Komplettabriss und Neubau effektiver. Adams hatte eben erst zu verstehen gegeben, dass er gegebenenfalls sogar die Desintegratorgeschütze von Kampfraumschiffen einsetzen und Millionenwerte in Staub auflösen würde, falls das eine weitere Beschleunigung ergab.
Die Industrie benötigte neuen Platz. Mittlerweile lagen zwei wissenschaftliche Ausarbeitungen vor, die bestätigten, dass die alten Miniaturisierungsgrade in der Fertigung künftig nicht mehr erreichbar sein würden. Daraus ergab sich zwangsläufig ein Umdenken in städteplanerischer Hinsicht, eine
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