2215 - Der Schohaake
sie ihn an sie übergab, hielt der Biologe sie aber am Ärmel fest. „Wird es nicht Zeit, dass du mir die Wahrheit sagst?", fragte er geradeheraus. „In wessen Auftrag handelst du, Mondra?"
Sie sah ihm fest in die Augen. „Ich bin Sonderbeauftragte von Julian Tifflor, dem Liga-Außenminister. Eigentlich arbeite ich an einem anderen Fall, aber es könnte eine Verbindung bestehen. Ich gehe allem Ungewöhnlichen nach, das sich auf der Erde ereignet, schließlich wäre es nicht das erste Mal, dass sich erst spät einige Verknüpfungen zeigen. Aus Otta kam gestern die Meldung, dass ein außerirdisches Wesen unter mysteriösen Umständen aufgetaucht sei -vollkommen nackt in der Schnee- und Eis wüste Südwestnorwegens. Er kann nicht mit einem Raumschiff gelandet sein. Und da in meinem eigentlichen Primärfall derzeit keine neuen Erkenntnisse vorliegen, kümmere ich mich mit Tifflors Einverständnis um Orren Snaussenid.
Unsere beste Kosmopsychologin steht uns leider nicht zur Verfügung. Genügt dir das als Erklärung, Alexander Skargue?"
Er nickte. „Danke", murmelte er. „Und noch etwas, Alexander", sagte sie. „Du willst doch nicht in die Stadt, um zu trinken? Versprich mir, dass du keinen Tropfen Alkohol anrühren wirst."
„Ich verspreche es", sagte der Einsiedler.
Er kam sich vor wie nackt, obwohl er sich einzureden versuchte, er sei lediglich getarnt. Selbst Sam schien Abstand von ihm zu halten.
Seine Haare waren geschnitten und reichten gerade noch bis auf die Schultern. Der Bart war ab. Er trug die Kleidung eines Großstadtmenschen. Das hatte immerhin den Vorteil, dass sich niemand mehr nach ihm umdrehte. Er war jetzt einer von ihnen, den Hauptstädtern - wenigstens äußerlich.
In Wirklichkeit rebellierte alles in ihm gegen die Umgebung aus Stahl, Plastik und Glas. Der Geruch der Wildnis fehlte ihm, das Heulen des Windes in den Bäumen, das Geschrei der Vögel, das Rascheln im Unterholz. Er war todunglücklich und hatte nur einen Wunsch.
Sein Versprechen ...
Er leistete Mondra Diamond in Gedanken Abbitte. Aber der Drang war stärker als alle Skrupel. Er brauchte Schnaps. Und er brauchte ihn jetzt.
Skargue bestieg eines der Laufbänder, als er eine breite Straße erreichte. Anfangs hatte er Probleme mit dem Gleichgewicht, dann gewöhnte er sich daran. Sam lief neben ihm her.
Die Menschen waren für ihn ferngesteuerte Marionetten, die tagtäglich ihrer sinnlosen Arbeit nachgingen -Ameisen in einem riesigen Haufen. Er fühlte sich immer noch von ihnen beobachtet. Sie waren überall, sie erstickten ihn!
Woher würde er den Schnaps bekommen? Womit bezahlte er ihn? Er besaß keine Kreditkarte. Er wusste überhaupt nicht, wie man in einer Stadt wie Terrania bezahlte.
Skargue begann zu schwitzen. Doch dann kam ihm der Zufall zu Hilfe. Er sah vor einem Restaurant einige Tische und Stühle. Niemand saß dort, jeder ging seinen Geschäften nach. Kein Mensch schien Zeit zu haben, um sich zu entspannen und die Sonne zu genießen.
Skargue verließ das Transportband und steuerte auf das Straßencafe zu. Er setzte sich an einen Tisch, mit durchaus gemischten Gefühlen. Bekam er hier, was er wollte? Gab es eine Robotbedienung? Musste er bezahlen, bevor er das Gewünschte erhielt?
Eine Stimme erklang wie aus dem Nichts und fragte nach seinen Wünschen. Der Biologe zögerte nicht lange und orderte eine Flasche Whisky, Von seinem Besuch vor dreißig Jahren wusste er, dass man selbst heute so etwas noch in guten Lokalen bekam - zwar sündhaft teuer, aber das störte ihn in diesem Augenblick nicht.
Es dauerte eine Weile. Skargue wurde ungeduldig. Schon glaubte er, etwas Falsches gesagt zu haben, doch da erschien aus dem Restaurant eine junge Frau mit dem Whisky, sogar einer Literflasche. Sie lächelte, blieb vor ihm stehen und zeigte mit dem rechten Zeigefinger auf einen Schlitz unter ihrem Hals. „Später", sagte Skargue. „Ich bezahle später."
Sie nickte und lächelte ihr Plastiklächeln, unverändert. Dann ging sie zurück in das Restaurant.
Ein verdammter Roboter, dachte Alexander Skargue. Er konnte sein Glück nicht fassen. Das hinderte ihn aber nicht daran, die schon geöffnete Flasche an den Mund zu setzen und einen tiefen Schluck zu nehmen. Das mitgelieferte Glas beachtete er überhaupt nicht.
Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Wohlige Wärme breitete sich in ihm aus. Er trank weiter, Schluck für Schluck. Die Umgebung wirkte nicht mehr ganz so feindselig. Die dahinhastenden Menschen empfand er
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