222 - Angriff auf die Wolkenstadt
hinein.
***
Die Sänfte schwankte hin und her. Manchmal, wenn die Träger über einen entwurzelten Baum steigen mussten oder abrupt vor einem unerwarteten Hindernis stehen blieben, schreckte Elloa aus einem oberflächlichen Schlaf hoch. Dann schob sie jedes Mal den Vorhang der Sänfte beiseite und spähte hinaus in die Nacht.
Fackeln und Öllampen an Stangen, wohin sie blickte. Und im Schein der Fackeln und Öllampen marschierten und ritten die Krieger der Huutsi und der Wawaa durch das Unterholz.
Unheimlich, wie lautlos mehr als tausend Krieger, Tsebras und Wakudas sich durch die Nacht bewegen konnten!
Ganz vorn wand sich die Lichterkette an Bäumen und Anhöhen vorbei. Die Dampfrouler und die Wakudakarren mit den Kanonen an der Spitze waren bereits in einem sanften Flusstal verschwunden. Von fern hörte man das Stampfen der Dampfmaschinen und das Blöken der Wakudas.
Zur Nachhut hin, wo außerhalb von Elloas Blickfeld ein Teil der Kavallerie auf Tsebras die Sicherung übernommen hatte, verbreiterte sich die Marschkolonne. Rund um die Sänfte marschierten die Frauen, die Lastenträger – meist versklavte Gefangene –, und trotteten mit Stangen und Zeltplanen beladene Tsebras und Wakudas vor sich hin.
Seit sechs Stunden bahnte sich das Heer seinen Weg durch den Uferwald nach Süden. Der Aufbruch war für alle überraschend gekommen, denn ursprünglich hatte der neue König zwei Tage für seine Vermählungsfeier angesetzt. Elloa seufzte jedes Mal erleichtert auf, wenn sie daran dachte. Dieser Kelch wenigstens war an ihr vorüber gegangen. Insofern hatte sie nicht das Geringste gegen den überstürzten Aufbruch einzuwenden gehabt.
Sie rutschte auf die andere Seite der Sänfte hinüber und lugte dort durch den Vorhang. Im Osten zeigte sich bereits ein milchiger Streifen am Nachthimmel. In spätestens zwei Stunden würde die Sonne aufgehen.
Die Königin ließ den Vorhang los und sank zurück in ihre Polster. Ihr königlicher Gemahl marschierte ganz vorn an der Spitze, wie sie gehört hatte. Sollte er doch dort marschieren, bis er in die strategische Falle der kaiserlichen Truppen tappte.
Elloa hoffte inbrünstig, dass ihre Boten den weißen Kaiser gewarnt hatten und dessen Soldaten auf den Angriff vorbereitet waren.
Sie dachte an das Geständnis der Seherin und fröstelte.
Keine Rosen, sondern dorniges Gestrüpp hatte die Alte gesehen. Keinen zärtlichen Liebhaber hatten die Götter ihr gezeigt, sondern einen monströsen Magier. Keine umschmeichelte Königin hatte sie geschaut, sondern eine gefangene, blutende Frau, gequält von Dornen.
Elloa beglückwünschte sich zu ihrer Entscheidung, ihren Gemahl zu verraten und Asyl bei dem mächtigen Kaiser zu erbitten. Sie war bereit, jeden Preis zu bezahlen, um das Eintreffen jener schrecklichen Weissagung zu verhindern.
Die Hochzeitsfeier auf dem Liebeslager im königlichen Zelt hatte fünf Stunden gedauert. Sie ging davon aus, dass es wesentlich weniger Zeit in Anspruch nehmen würde, wieder Witwe zu werden.
Und sie war sicher, dass dies nicht halb so anstrengend sein würde.
Allerdings – es ging das Gerücht, dass König Daa’tan einige seiner besten Kämpfer als Vorhut voraus geschickt hatte. Elloa hoffte, dass nichts daran war.
Die Königin versuchte wieder einzuschlafen, doch laute Stimmen draußen unter den Soldaten und Trägern erregten ihre Aufmerksamkeit. Sie rutschte zum Vorhang, öffnete ihn und spähte hinaus. Ein besonders großer und grellbunter Federbusch fiel ihr zwischen den Fackeln und Öllampen auf: Mongoo, der Vertraute des großen Mombassa. Und neben ihm schritt der zweite Vertraute des Generalfeldmarschalls, Bantu.
Beide Hauptleute blickten sich suchend um.
»Wie sieht es an der Spitze des Heeres aus?«, erkundigte sich Elloa.
»Prächtig, prächtig!«, rief Mongoo. »Schon inner nächsten Nacht werden wir die Hauptstadt vom Feind angreifen!« Bantu schüttelte die geballte Rechte.
»Wie schön zu hören«, heuchelte die Königin. »Und was macht mein Gemahl? Es geht ihm doch hoffentlich gut!«
»O ja, o ja!« Der grobschlächtige Mongoo schob den Unterkiefer vor und nickte eifrig.
»Kann den Kampf kaum erwarten, der junge König!«, sagte Bantu.
»Dann grüßt ihn von seiner Gattin! Richtet ihm aus, dass die Gedanken der Königin bei ihm sind.«
»Machmer«, grunzte Mongoo. »Doch erst müssmer die beiden Obersten suchen.«
»Die beiden Obersten?« Elloa runzelte fragend die Stirn.
»Osamao und seinen Großonkel Imyos«,
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