2221 - Die Sekte erwacht
Clarian blickte in schwarze Augen, die voller Verachtung für ihn waren.
In diesem Moment krachte, heulte und pfiff es. Von der Baustelle stiegen Feuerwerkskörper in den nachtschwarzen Himmel auf, explodierten in der Höhe und faszinierten die Zuschauer mit ihrem farbenprächtigen Licht. Es gab wohl niemanden mehr, der auf den jungen Sänger achtete. „Du glaubst doch nicht, dass wir uns durch dich aufhalten lassen?", fragte die Frau. Sie hatte lange rote Haare, die ein schönes, ebenmäßiges Gesicht umrahmten. „Wie kann man nur!"
„Wer bist du? Eine Adjunktin der Sekte? Oder gehörst du zu jenen, die meinen, Gewalt anwenden zu müssen?
Zwischen beiden gibt es keinen Unterschied. Sie sind eins. Richtig?" Er zeigte keinerlei Furcht, überzeugt davon, dass ihm seine Freunde Gliol und Ammakon zu Hilfe kommen würden. Die explodierenden Feuerwerkskörper verbreiteten farbiges Licht. Es ließ das schöne Gesicht vor ihm geisterhaft bleich erscheinen.
Die junge Frau trat so nah an ihn heran, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. Sie verströmte den verführerischen Duft eines teuren Parfüms. Sie lächelte. „Du willst die Wahrheit wissen? Dann hör genau zu!" Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und flüsterte ihm ins Ohr. Dann trat sie zurück. Seine Hände sanken auf die Hüften herab. Als sie ganz nah bei ihm gewesen war, hatte sie ihm einen Gurt angelegt. Viel zu spät hatte er es bemerkt. „Was soll das?", stotterte er erschrocken. „Du kennst die Lehren Gon-Orbhons, der da sagt, der Gott werde die Lebenden in zwei Klassen einteilen. Wer an ihn glaubt, wird in jene Klasse aufgenommen, die ihm dienen darf, die anderen werden im Nichts verlöschen." Sie verzog die Lippen zu einem zynischen Lächeln. „Tut mir Leid, Clarian. Du hast dich für das Nichts entschieden."
„Was ist das für ein Gurt?" Panische Angst kam in ihm auf. Sein Gesicht schien jegliche Farbe zu verlieren.
Wild zerrte er an dem rätselhaften Etwas, das sie ihm angelegt hatte. „Weißt du es wirklich nicht? Ich habe es dir doch gesagt. Du wirst zu einem Nichts. Eine Desintegratorladung wird dafür sorgen."
„Nein!" Entsetzen zeichnete sein Gesicht. Er versuchte zu fliehen, doch die Baumaschinen standen so dicht beieinander, dass sich ihm keine Lücke bot. „Man stellt sich Gon-Orbhon nicht in den Weg", sagte sie. „Du hättest auf deinen Vater hören sollen."
Sie hob eine Hand. Er sah, dass sie ein kleines Gerät darin hielt, und er erfasste, dass es eine Fernsteuerung war.
Langsam trat sie zurück, und dann senkte sich ihr Daumen auf das Gerät. Clarian schrie, doch keiner der vielen Besucher hörte oder sah ihn. Die Feuerwerkskörper explodierten hoch am Himmel und verbreiteten Licht in allen Farben, während er sich in einem grünen Leuchten zu Staub auflöste. Nichts.
Die junge Frau bückte sich, nahm ein wenig von dem Staub auf, blies lächelnd über ihre Hand hinweg und verschwand in der Menge.
Als die beiden Musiker eintrafen, entfernten sich die Baumaschinen voneinander. Gliol redete hastig und schnell in sein Armbandmultigerät. Er gab seinem Freund Ammakon ein Handzeichen. Sanft schwebten sie über die Köpfev der Menge hinweg. „Sie nennen es das Gebetshaus", erläuterte Mondra Diamond. „Ich begreife es nicht", gestand Gaur. „Meine Mutter hat einen klaren Verstand. Sie ist Xenopsychologin. Kennt also ziemlich alle Tricks auf diesem Gebiet. Und doch fällt sie auf die Sekte herein? Das geht nicht mit rechten Dingen zu."
Sie betraten den Vortragsraum, der bis auf den letzten Platz gefüllt war. Die Informationen, die sie aus dem Netz erhalten hatten, erwiesen sich als richtig. Bre Tsinga stand am Rednerpult und verbreitete die Lehren Gon-Orbhons. Sie sprach von Carlosch Imberlock, dem Verkünder, und sie wiederholte, was schon so oft über ihre Lippen gekommen war. „Dies sind die Tage des Niedergangs!"
Damit beendete sie ihre Predigt. Ihre Zuhörer erhoben sich und strebten dem Ausgang zu. Mondra und ihr jugendlicher Begleiter traten zur Seite, um ihnen Platz zu machen. Sie behielten Bre im Auge, die am Rednerpult ausharrte, hin und wieder die Arme hob und rief: „Gon-Orbhon wird die Menschen in zwei Klassen teilen, in jene, die an ihn glauben, und in jene, die einfach erlöschen werden."
Plötzlich verstummte sie, und ihre Arme sanken nach unten. Sie hatte ihren Sohn ausgemacht. Bleich stand sie auf dem Podest. Gaur zu sehen überraschte sie erkennbar. Sie sah müde und erschöpft aus. Ihre
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