2224 - Spezialagent 707
genommen.
Aber das sind alles nur Hilfsausdrücke, schiefe Bilder, hinkende Vergleiche. Obwohl wir Terraner nun schon so lange zu den Sternen fliegen, hat unsere Sprache nach wie vor keine Worte für dieses Erlebnis gefunden, die es auch nur ansatzweise zutreffend beschreiben, so, wie ich es empfinde.
Weil wir es nicht begreifen, nie begreifen können!
Der Hyperraum ist nicht unser Element und wird es auch niemals sein. Wir vermögen uns die fünfte Dimension zu Nutze zu machen, in sehr beschränktem Ausmaß, ängstlich und vorsichtig; doch wir werden sie auch in zehntausend Jahren nicht verstehen.
Ich zwinge mich, meine tauben, wie zerschlagenen Glieder zu bewegen. Das rechte Handgelenk, den Unterarm, den Oberarm, die Schulter...
Kraftlos tasten meine Finger nach den Knöpfen auf der Armlehne. Erst beim dritten Versuch schaffe ich es, den Mechanismus zu betätigen, der den Pilotenstuhl aus der Liege- in die Sitzposition zurückkippt.
Ich falle fast nach vorn auf die Instrumentenkonsole, als sich die Gurte lösen. Fange mich gerade noch ab. Schlage auf den abgewetzten, ehemals roten Knopf, mit dem ich mich einsatzfähig melde, die Kontrolle über die Steuerung wieder übernehme.
„Na ja", erklingt hinter mir eine abscheulich schnarrende Stimme. „Vier Sekunden besser als zuletzt.
Aber immer noch schwach, Sonderbönchen, sehr schwach."
Ich gehe nicht darauf ein. Würde ich jedes Mal antworten, wenn Rottwangl mich runtermacht, käme ich aus dem Reden nicht mehr heraus.
Stattdessen checke ich, so schnell es meine tränenden Augen erlauben, die Anzeigen.
Alles im grünen Bereich. Wir sind sogar um einiges näher an den Zielkoordinaten, als ich gehofft habe. „Transitionsetappe erfolgreich beendet", melde ich.
„Im Prinzip ja", schnarrt Rottwangl. „Aber du hast wieder ewig gebraucht, um zu dir zu kommen, Sonderbönchen. Wenn es hier feindliche Schiffe gegeben hätte..."
„Die Ortung weist keine weiteren Raumfahrzeuge in diesem Sektor aus."
„Darum geht es nicht, Sonderbönchen. Wir haben Frieden. Noch. Aber im kommenden Krieg wird jede Hundertstelsekunde zählen. Deine Mannschaft muss sich auf dich und deine Reflexe verlassen können."
Er klopft mir auf die Schulter. Leicht und schlapp, als wenn seine Hand aus Schaumgummi bestünde.
„Aber tröste dich", höhnt er, „du wirst nie in diese Ernstfall-Situation kommen. Weil aus dir ohnehin nie ein richtiger Raumfahrer werden wird. Reginald Bull und die anderen im Oberkommando müssten verrückt sein, einer solchen Schlafmütze ein Schiff anzuvertrauen."
Das tut weh, und Rottwangl weiß es.
Schlimmer noch: Er hat Recht. Keine Ahnung, warum, aber mein Körper und vor allem mein Geist reagieren besonders stark auf die negativen Begleiterscheinungen einer Transition.
Nun könnte ich einwenden, dass diese Technologie völlig veraltet ist, irrelevant in Zeiten des Metagrav-Antriebs. Wir leben im 14. Jahrhundert Neuer Galaktischer Zeitrechnung, nicht im dritten Jahrtausend nach Christi Geburt.
Aber Perry Rhodan, der Terranische Resident, ist leider anderer Ansicht. Er hat ausdrücklich angeordnet, dass alle Raumkadetten in die Anwendung sämtlicher Fernflug-Techniken einzuweisen sind.
Wir müssen uns gegen alle Eventualitäten wappnen, lautet die Parole, die er ausgegeben hat. Es könnte sein, dass wir uns schon bald gezwungen sehen, auf Technologien zurückzugreifen, die quasi aus der Urzeit des Raumflugs stammen.
Wenn die Kosmokraten tatsächlich den Hyperphysikalischen Widerstand manipulieren, könnten viele, wenn nicht alle gängigen Triebwerkssysteme unbrauchbar werden. Dann muss Terra vorbereitet sein.
Beweise kann Rhodan keine vorlegen. Aber er ist der Terranische Resident und zudem einer der Unsterblichen. Außerdem stand auch der Liga-Verteidigungsminister, sein alter Intimus Bully, sowieso immer auf seiner Seite. Na toll. Ausbaden dürfen das Ganze unter anderem wir Kadetten.
Nur wegen ein paar Andeutungen, die der Kosmokratenroboter Cairol fallen gelassen hat. muss ich mich jetzt mit dieser uralten Korvette abplagen! Muss mich, wieder und wieder, den Qualen der eigentlich längst obsoleten, lächerlich ineffektiven Transitionen unterziehen.
Wobei mir der von den meisten meiner Jahrgangskollegen gefürchtete Entzerrungsschmerz gar nicht so viel ausmacht. Ich bin ganz gut darin, körperliche Pein zu ertragen.
Doch die Rematerialisation, der Wiedereintritt ins Einstein-Kontinuum, haut mich jedes Mal fast um.
Keine Ahnung, warum ich so
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