223 - Gaston, Diana - Die mysteriöse Miss M
Schneiderin sie von allen Seiten. „O nein“, ließ sie verlauten, als sie die offenen Schnürbänder am Rücken bemerkte. „Nein, dieses Kleid kann nicht passen, das ist völlig unmöglich.“
„Dann verstehen Sie, in welch misslicher Lage wir uns befinden“, gab Devlin lächelnd zurück, während Madeleine beharrlich auf den Fußboden starrte.
„Ich werde Ihnen zeigen, was Sie sofort kaufen können.“
Madame Emeraude gab einer Assistentin ein Zeichen, die daraufhin ein Gewand nach dem anderen vorführte. Madeleine betrachtete jedes von ihnen voller Entsetzen. Devlin dagegen hielt sie für nichts weiter als normale, allenfalls ein wenig verspielte Kleider.
Während sich Madame mit ihrer Helferin beriet, flüsterte Madeleine ihm zu: „Devlin, lass mich bitte keines dieser Gewänder tragen. Das Kleid, das ich habe, wird genügen, und zur Not kann Sophie mir etwas Schlichtes nähen.“
„Was stimmt denn nicht mit diesen Modellen?“
„Sie sind … nicht schicklich.“
„Ah, ich verstehe“, erwiderte er und nahm Madame Emeraude zur Seite, um unter vier Augen mit ihr zu reden. Madeleine beobachtete, wie die Damenschneiderin verstehend nickte und zwischendurch zu ihr sah. Sie wollte so schnell wie möglich diesen Ort verlassen, an dem man sie als Miss M. kannte.
Schließlich kam Devlin zu ihr zurück. „Madame Emeraude bestellt uns eine Droschke. Sie gab mir die Adresse einer anderen Schneiderin, zu der wir uns als Nächstes begeben werden.“ Er hielt ihr den Umhang hin, damit sie ihn umlegen konnte.
„Das möchte ich nicht. Lass uns bitte nach Hause gehen.“ Der kurze Ausflug war bereits beängstigend genug gewesen.
„Wir werden es erst noch bei dieser anderen Adresse versuchen. Du brauchst etwas zum Anziehen, Maddy.“
In der Droschke versuchte sie weiter, ihn von ihrer Ansicht zu überzeugen. „Sophie könnte mir bestimmt das Nähen beibringen, Devlin. Ein Stück Stoff wäre dafür ausreichend.“
Er wollte nicht auf sie hören, und offenbar verstand er auch nicht, dass es zwar aufregend war, Kutschen und Geschäfte zu sehen. Es ängstigte sie aber im gleichen Maß, da sie immer damit konfrontiert wurde, was sie war.
Andererseits konnte sie sich nicht für alle Zeit verstecken. Wie sollte sie Linette großziehen? Ihre Tochter würde sich auch in diese Welt hinauswagen müssen. Sie war entschlossen, Linette ein ehrbares Leben führen zu lassen, so wenig das auch daran ändern würde, was Madeleine tief in ihrem Inneren war.
Wenn Devlin Steele entschlossen war, ihr Kleider zu kaufen, dann ließ sie sich nicht davon abbringen, dass es sich um etwas Schickliches handeln musste.
„Bringst du mich zur Bond Street?“, fragte sie und hätte gern neugierig geklungen, doch ihre Stimme zitterte.
Er lächelte sie an. „Nein, nicht zur Bond Street. Wir sind auf dem Weg zu einer Modellschneiderin, die die Töchter unserer Bankiers und unserer Kaufleute einkleidet.“
„Na gut“, willigte sie ein. Sie fuhren damit nicht in den Teil der Stadt, in dem sie jemandem aus der feinen Gesellschaft hätte begegnen können.
Das Geschäft entpuppte sich als wahre Goldmine. Die wohlhabende Tochter eines Kaufmanns der Ostindischen Gesellschaft hatte dort gerade ihre Aussteuer zurückgehen lassen und sich stattdessen für die moderne Auswahl bei einer anderen Adresse interessiert. Diese junge Frau war von Madeleines Größe und Statur, und die Kleider waren ausgesprochen geschmackvolle Versuche der Schneiderin, eine breitere Klientel für sich zu gewinnen.
Madeleine stritt mit Devlin über die Zahl der Gewänder, die er zu kaufen beabsichtigte. Sie selber wollte höchstens zwei oder drei haben und weigerte sich beharrlich, auch ein Abendkleid zu nehmen, und über die Reitkleidung ließ sie nicht einmal mit sich reden. Sein Einlenken in diesen beiden Punkten weckte einen Moment lang ihr Misstrauen, doch kaum hatten sie das Geschäft verlassen, nahm er sie mit zur Putzmacherin, die nebenan ihren Hutladen hatte. Hier entbrannte die Diskussion von Neuem.
Während er alles Notwendige veranlasste, damit die Hutkreationen für Madeleine und das sehr schlichte Exemplar für Sophie geliefert wurden, betrachtete Madeleine sich im Spiegel.
Sie trug ein blasslila Straßenkleid aus Musselin, das nur mit ein paar senkrechten Biesen an der Taille verziert war, gesäumt von einem schlichten purpurfarbenen Band. Ein blauer Spenzer, lila Handschuhe und ein
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