223 - Gaston, Diana - Die mysteriöse Miss M
kann doch nichts anderes.“
Ohne einen Blick zurück zog er die Tür hinter sich zu.
Devlin floh förmlich hinaus in die feuchte Nacht. Im Schein der Straßenlaternen ging er zügig durch die Stadt, bis er den nächstgelegenen Spielclub erreichte. Anstatt aber den Türklopfer zu betätigen, stand er nur da und starrte die Eingangstür an. Es war keine Langeweile, die er diesmal vertreiben wollte, sondern die Unruhe, die Madeleine in ihm ausgelöst hatte.
Warum akzeptierte er nicht einfach ihre Dankbarkeit und holte sie zu sich in sein Bett? Immerhin hatte er sie vor Farley gerettet und dazu noch ihrem Kind und ihrem Dienstmädchen eine Unterkunft gegeben.
Er wandte sich von der Tür ab und schlenderte durch die Straße. Bei ihrer ersten Begegnung war von Dankbarkeit nichts zu spüren gewesen, sondern von Verlangen. Es war ihm fast so vorgekommen, als würde sie ihn lieben, und er hatte es nie vergessen.
Ziellos zog er umher, bis er auf einmal wieder vor der Haustür zu seiner neuen, teuren Wohnung stand. Er ging hinein, alles war ruhig, und eine einzelne Kerze sorgte für ein wenig Licht. Sein Blick wanderte zu den anderen Schlafzimmern, und Devlin fragte sich, was sich wohl hinter den geschlossenen Türen abspielte. Hielt Bart die zerbrechliche Sophie schützend in seinen Armen, damit niemand sie in der Nacht überfallen konnte? Hatte sie ihren Leib Bart dargeboten? Und hatte er angenommen?
Devlin hätte die Zuwendung eines ganzen Monats verwettet, dass Bart sich nicht so viele Gedanken machte wie er selbst und dass die zierliche Frau Barts faltiges Gesicht am Morgen voller Bewunderung betrachten würde.
Leise betrat er Madeleines Zimmer. Im schwachen Schein einer Straßenlaterne machte er Linette aus, die schlafend in ihrem Bett lag und am Daumen lutschte.
Madeleines Bett war leer, und Devlin bekam augenblicklich einen Schreck. Erst dann bemerkte er Madeleine. Sie saß zusammengesunken auf der Fensterbank und schlief so friedlich wie ihre Tochter.
Seine beiden Schützlinge waren Schönheiten, aber sie waren auch ganz und gar auf ihn angewiesen. Der Gedanke machte ihm mehr Angst, als wenn er ein Regiment Soldaten in den Krieg hätte führen sollen. Soldaten kannten die Risiken, aber sie besaßen auch die nötigen Werkzeuge, damit sie ihr Leben verteidigen konnten. Wenn er dagegen bei Madeleine und Linette versagte, würden sie Geschöpfen wie diesem Farley ausgeliefert sein. Die beiden besaßen keine Waffen, mit denen sie sich zur Wehr setzen konnten.
Er schwor sich, nicht zu versagen. Er würde sich um ihre Bedürfnisse kümmern, ganz gleich, wie hoch der Preis war.
Nach kurzem Zögern hob er Madeleine hoch, die zu seinem Erstaunen leicht wie eine Feder war, und brachte sie zum Bett.
„Sonst kann ich nichts“, sprach sie leise und ließ den Kopf an seine Schulter sinken, wie es zuvor ihre Tochter bei ihr selbst gemacht hatte.
„Ruhig, Maddy“, flüsterte er. „Du weckst sonst Linette auf.“
„Linette“, gab sie zurück. „Alles, was ich habe.“
„Jetzt nicht mehr, Miss England.“ Devlin legte sie aufs Bett und zog die Decke hoch. „Jetzt hast du auch noch mich.“
5. KAPITEL
M adeleine hatte sich fest bei Devlin untergehakt, als sie beide im hellen Schein der Sonne durch die Straßen von London spazierten. Sie zog die Kapuze ihres Capes enger zusammen, damit von ihrem Gesicht so wenig wie möglich zu sehen war. Dennoch fühlte sie sich bloßgestellt.
„Du wirst mich doch nicht zu einer vornehmen Modistin bringen, nicht wahr, Devlin?“ Der Gedanke, über die Bond Street zu schlendern – jene vornehme Einkaufsstraße –, machte ihr Angst.
Amüsiert sah er sie an. „Also wirklich, Maddy. Glaubst du tatsächlich, ich würde dich etwas so Schrecklichem aussetzen?“
„Zieh mich nicht auf“, erwiderte sie lachend. „Es ist nur so, dass ich nicht gesehen werden möchte.“
„Keine Angst, du dummes Ding. Du hast doch immer deine Maske getragen, nicht wahr? Niemand wird dich wiedererkennen.“ Beschwichtigend streichelte er ihre Hand.
„Ach, natürlich. Wie dumm von mir.“
Sie atmete tief durch. Er verstand es nicht. Farleys Gäste waren für sie kein Grund zur Sorge, und vielleicht würden die, vor denen sie sich so fürchtete und die ihr Gesicht einst wahrgenommen hatten, sie ebenfalls nicht wiedererkennen. Immerhin musste sie ja nach so vielen Jahren doch verändert aussehen, oder nicht?
„Und
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