223 - Gaston, Diana - Die mysteriöse Miss M
einfach nur noch fort von hier wollte. „Ned, wir haben schon mehr gesagt, als ratsam ist. Ich möchte jetzt gehen.“
„So? Wir haben noch gar nichts gelöst.“ Ned wirkte auf ihn wie ein Fremder … nein, wie sein Vater, aber nicht wie der ältere Bruder, den Devlin immer verehrt hatte.
„Es ist nicht weiter wichtig. Ich werde warten, bis mein Geld fällig ist.“ Dann ging er zur Tür.
„Wenn dein Geld fällig ist“, sagte Ned und machte eine verkniffene Miene, „wird es nur der halbe Betrag sein.“
„Was?“
„Der halbe Betrag.“ Erst nachdem der Marquess die vor ihm liegenden Dokumente ausführlich betrachtet hatte, sah er auf. „Du musst dich auf die Suche nach einer Ehefrau begeben. Vielleicht ist Geldnot für dich ein Ansporn.“
Devlin hatte Mühe, seinen Zorn unter Kontrolle zu halten. Wie sollte er sich um Madeleine kümmern? Wie sollte er für die kleine Linette sorgen? „Verdammt, Ned, du weißt überhaupt nicht, was du da tust.“
„Vergiss nie, wer das Oberhaupt der Familie ist, kleiner Bruder.“
„Das werde ich ganz sicher nicht“, zischte er.
Devlin eilte aus der Bibliothek und hätte fast seine Schwägerin umgerannt, die im Flur auf und ab ging.
„Devlin, was ist geschehen? Warum habt ihr euch geschlagen?“, fragte sie mit leiser, angsterfüllter Stimme.
Er strich ihr über den Arm. „Ein Streit zwischen Brüdern, weiter nichts. Du musst dir keine Sorgen machen.“
Sie schien nicht überzeugt, woraufhin er sie herzlich umarmte und zuließ, dass sie sich ein wenig an seiner Schulter ausweinte. „Es war allein meine Schuld, Serena. Du weißt, wie leicht ich Ned aus der Reserve locken kann. Du musst nicht weinen.“
Die Tür zur Bibliothek ging auf, dann sagte Ned mit so eisiger Stimme, wie Devlin sie bei ihm noch nie gehört hatte: „Lass meine Frau los, und verlass das Haus.“
7. KAPITEL
D evlin fühlte sich elend, als er Neds Stadthaus verließ. Wie konnte er sich nur von seinem Bruder provozieren lassen? Schlimmer als die blutige Nase des Marquess of Heronvale war die Tatsache, dass er Devlins Zuwendung halbiert hatte. Wie sollte er jetzt für Madeleine und ihr Kind sorgen?
Langsam ging er in Richtung St. James’s Street.
Er hätte sein Geld sparen sollen, anstatt eine größere Wohnung zu mieten, anstatt für Sophie Stoff und für Linette so viel Spielzeug zu kaufen – und anstatt Madeleine mit einer kompletten Garderobe auszustatten, wenn sie nur zwei oder drei Kleider haben wollte. Vor allem aber hätte nicht sein Temperament mit ihm durchgehen dürfen. Er hätte sich ein paar Argumente zurechtlegen sollen, weshalb er das Geld früher benötigte. Stattdessen aber ließ er sich von Ned dazu verleiten, handgreiflich zu werden.
Und was sollte nun aus Madeleine werden? Für Bart und Sophie würde er sicher irgendwo in der Familie eine neue Anstellung finden. Vor allem Percy hatte eine Schwäche für Menschen in Not. Außerdem konnte sich jeder glücklich schätzen, für den Bart arbeitete, der sicher auch gut für Sophie sorgen würde. Devlin selbst konnte Ned ärgern, indem er seine Schwestern der Reihe nach aufsuchte und sich keineswegs nach dem Heronvale-Diktat richtete. Welch ein Vergnügen das wäre …
Doch was war mit Madeleine und Linette? Lieber würde er zur Hölle fahren und Ned mit sich reißen, ehe er ihr erlaubte, wieder jene Tätigkeit auszuüben, die sie beherrschte.
Verdammt, er brauchte unbedingt Geld, um ihr dieses Schicksal zu ersparen – genug Geld, damit sie sorgenfrei leben und Linette großziehen konnte.
Seine Gedanken drehten sich unentwegt im Kreis. Sicher wusste er eines: Er war ein Narr gewesen, und er hatte die Menschen im Stich gelassen, die auf ihn zählten.
Er hatte Madeleine im Stich gelassen.
Viel zu schnell war er zurück an der Tür zu seiner neuen Wohnung. Schweren Herzens griff er nach dem Knauf und drehte ihn.
Beim Abendessen an diesem Tag sah Madeleine verstohlen zu dem ungewöhnlich ruhigen Devlin. Etwas machte ihm Sorgen, aber den Grund kannte sie nicht. Hatte sie überhaupt das Recht, ihn danach zu fragen?
Für die Probleme eines anderen Mannes hätte sie sich niemals interessiert, aber ein anderer Mann wäre auch nicht so fürsorglich mit ihrer Tochter umgegangen. Im Grunde war sein umsichtiges Verhalten gar nicht mal gut für Madeleine, weil er ihr so das Gefühl gab, dass sie sich jederzeit auf ihn verlassen konnte.
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