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223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall

223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall

Titel: 223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Residenz
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bei der Baustelle des projektierten Kraftwerks Persenbeug, das allerdings auf dem Gemeindegebiet von Hofamt Priel liegt, bis zur Rotte Priel, bis zum Haus des Zimmermanns Karl Brandstetter in Hofamt Priel Nr. 147. Die von dem Opel angeführte Marschkolonne hat knapp eine Stunde gebraucht für den Anstieg zu dem kleinen, langgestreckten Holzhäuschen, das isoliert und dunkel liegt. Keine 30 Meter davon entfernt befindet sich ein tiefer Graben, dessen Böschungen ziemlich steil sind. Von der Basis dieses Einschnittes in das Gelände werden die 65 jüdischen Männer mit herrischem Schreien und Fluchen, mit Fußtritten und Kolbenhieben in den Graben hineingetrieben. Die Scheinwerfer der beiden Personenwagen, die vor dem Haus des Brandstetter mit laufenden Motoren stehen geblieben sind, beleuchten die Szenerie leidlich. Alles in allem ein perfekt gewählter Ort für ein Massaker, und auch die 10 im Abschlachten von Menschen höchst erfahrenen SS-Männer beherrschen die Choreographie des Massenmordes perfekt. Sie arbeiten so routiniert wie Fleischhauer in einem Schlachthof, während ihr einheimischer Pfadfinder im Opel sitzen bleibt und als angespannter Zuschauer nervös Kette raucht.
    Ohne jede Warnung beginnen 2 mit ihren Maschinenpistolen in die Juden im Graben zu feuern. Sie schießen mehr oder weniger ungezielt Dauerfeuer aus der Hüfte, während Getroffene schreiend und ächzend zu Boden stürzen und sich noch nicht Getroffene entsetzt und panisch auf die nackte Erde fallen lassen. 2 junge Burschen, ehemalige Arbeitsdienstler der ungarischen Armee, versuchen nach rechts auszubrechen und die Böschung des Grabens hinaufzulaufen. Der steile Anstieg und das rutschige, regenfeuchte Gras und einiges Gebüsch bremsen sie dabei deutlich. Eine einzige MP-Garbe streckt sie nieder und lässt sie wie kaputtes Spielzeug in den Graben, in ihr Grab zurückfallen und zurückrutschen. Die beiden Schützen wechseln fast gleichzeitig ruhig und konzentriert ihre leer geschossenen Magazine. Nun legen sie ihr Feuer etwa einen Meter tiefer, um auch die zu treffen, die Deckung am Boden gesucht haben. Neuerlicher Magazinwechsel, wieder Dauerfeuer. 65 Mann, die mit 2 Maschinenpistolen über den Haufen geschossen werden, sterben nicht leise. Als der Boden der letzten Patrone aus dem dritten Magazin eines der beiden Schützen vom Schlagbolzen getroffen wird, ist ein vielstimmiges Stöhnen und Röcheln, ein Schreien und Schluchzen, ein Klagen und Heulen, ein Weinen und Keuchen, ein Flehen und ein tiefes, gequältes, wie abgehacktes Atmen zu hören. Dazwischen Laute, Wortfetzen, Gebetsformeln auf Ungarisch, Deutsch und Hebräisch.
    Der Scharführer steckt sich eine Zigarette an und winkt 3 seiner Männer nach vorne, vor die MP-Schützen, die inzwischen ihre Waffen gesichert haben. 2 von ihnen tragen je einen Karabiner, einer eine Pistole. Konzentriert erledigen sie im Schein der Autoscheinwerfer die wimmernden, keuchenden Verwundeten und Schwerverwundeten mit Kopfschüssen, Nahschüssen. Keinem von ihnen fällt es schwer, den Karabiner immer wieder zu repetieren, kurz in ein blutverschmiertes, Gesicht zu blicken, dessen Mund und Augen vielleicht um Gnade flehen, und dann aus 10, 20, 30 Zentimeter Entfernung eine Kugel mitten in dieses schmerzverzerrte, menschliche Antlitz zu jagen. Es ist ein kaltblütiger, effektiv abgewickelter Massenmord.
    Während die letzten Erschossenen noch einmal erschossen werden, haben die beiden MP-Schützen ihre noch warmen Waffen bereits geschultert und aus dem Horch 2 Benzinkanister mittlerer Größe geholt. Vorsorglich dämpft der Scharführer seine Zigarette aus, denn er will seine Männer und damit den weiteren Fortgang der Mission nicht gefährden. Nachdem der letzte Pistolenschuss in der Nacht von Hofamt Priel verklungen ist, senkt sich eine große Stille über den Graben. Mit einer gewissen Befriedigung registrieren die Bewaffneten vielleicht das Ergebnis ihrer Arbeit. Wortlos und schnell schütten die beiden MP-Schützen den Inhalt der beiden Benzinkanister über die noch blutwarmen Leichen und tragen die leeren Behältnisse zu den Autos zurück, auf die schon alle außer dem Scharführer aufgesessen sind. Sie setzen sich in den Fonds des Horch, ziehen sich jeder eine Munitionskiste zu den Knien heran und beginnen lose Patronen in ihre leergeschossenen Magazine zu klipsen.
    »Es wird noch Ärger für die Plutokraten geben!«, scherzt ein Kamerad, was für dumpfes, fröhliches Gelächter sorgt.
    Der

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