2232 - Wiedergeburt
vermocht, ob man es den Straßen von Vhalaum anmerkte, dass sie nunmehr wieder unter terranischer Oberhoheit standen. Der Neuaufbau der einstigen Boomtown schritt weiter voran; flirrende Geschäftigkeit lag über der Megacity. Aber das war auch schon so gewesen, bevor Reginald Bull mit dem Raumgiganten PRAETORIA die Macht im Hayok-System an sich gerissen hatte.
In Etymba, dem überwiegend von Nicht-Arkoniden bewohnten Viertel, mochte es anders aussehen.
Angeblich fanden dort, seit die Repressionen der kristallimperialen Soldaten aufgehört hatten, immer wieder aufs Neue Straßenfeste statt.
Mal hätte sich lieber dort herumgetrieben, sich unters feiernde Volk gemischt, vielleicht nebenbei die eine oder andere Damenbekanntschaft gemacht. In solchen Umbruchzeiten saßen die Zügel der Moral gewöhnlich lockerer.
Gegen eine kleine Liebelei, vielleicht auch mehr, hätte der Fuertone nichts einzuwenden gehabt. Und da er mehr Ähnlichkeit mit einem Springer als mit einem Arkoniden besaß, hätte er sich in Etymba durchaus keine so schlechten Chancen ausgerechnet.
Na ja. Aber er konnte Kantiran unmöglich allein lassen, schon gar nicht in dieser Verfassung. Der Junge vibrierte gleichermaßen vor Tatendrang wie vor Wut über Bulls schwer nachvollziehbare Politik.
Möglicherweise ist das ja das Stichwort, überlegte Mal: Politik.
Konnte es sein, dass der Liga-Verteidigungsminister einen Schauprozess plante? Und dass er den Angeklagten zu diesem Zweck sozusagen in die Auslage stellen wollte?
Dass man den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Shallowain nicht stillschweigend verschwinden lässt – wie es die Admiralin und Mascantin da Vivo in einem ähnlich gelagerten Fall sicherlich ohne viel Federlesens tun würde –, sondern ihm am Ort seiner Missetaten den Prozess macht? Der Gedanke hatte etwas für sich. In aller Öffentlichkeit zu demonstrieren, wie fair, unbestechlich und in hohem Maße transparent ihr Rechtssystem war – das passte zu den manchmal geradezu zwanghaft idealistischen Terranern.
Mal wurde jäh aus seinen Grübeleien gerissen, als das Raupenfahrzeug abrupt bremste und sich gleich darauf in eine scharfe Kurve legte. Er verlor das Gleichgewicht, kippte zur Seite und fiel halb auf die neben ihm sitzende Filana.
„Ich bitte vielmals um Entschuldigung", stammelte er, während er sich aus ihrer wogenden Oberweite befreite. „Ich wollte wirklich nicht..."
„Das sagen sie alle", erwiderte die üppige Rothaarige trocken. Ihre hellen Augen blitzten eher belustigt als empört. „Übrigens, wir sind so gut wie da."
Der Pilot fluchte lautstark, bedachte den kleinen Zweisitzer, der ihn zu einem plötzlichen Ausweichmanöver gezwungen hatte, mit Schimpfworten der derbsten Sorte, dann lenkte er sein Fahrzeug in eine Lücke zwischen zwei Häuserzeilen.
Dahinter befand sich die Einfahrtsrampe zu einem Tunnel, in den sie gerade noch hineinpassten. Das Motorengeräusch des Transporters hallte ohrenbetäubend von den gefliesten, mit Parolen beschmierten Wänden wider.
Als sie nach wenigen Sekunden zurück an die Oberfläche gelangten, schien es Mal Detair, als wären sie auf einem anderen Planeten gelandet.
3.
Der Basilisk Das Licht wird immer schwächer, und auch ich kann mich kaum mehr auf den Beinen halten.
Unvermittelt stößt Yolindi einen gellenden Schrei aus. Dann ist sie weg und ihre Taschenlampe mit ihr.
Ich erstarre in der undurchdringlichen Finsternis. Stehe stocksteif. Wie gelähmt, als hätte mich ein Schwall flüssiger Luft schockgefroren. Yolindis Schrei wird zu einem erstickten Röcheln, das schließlich ganz verebbt.
Eine Zeit lang höre ich noch schleifende, sich entfernende Geräusche. Dann ist alles still. Still.
Und dunkel.
Und still.
Ich zucke zusammen wie unter einem Stromstoß, als irgendwo neben mir – links, rechts, vorne oder hinten, keine Ahnung – ein Tropfen fällt.
Plitsch.
Und, eine Ewigkeit später, ein zweiter.
Plitsch.
Ich gehe in die Hocke, schlinge meine Arme um meine Unterschenkel, berge den Kopf zwischen den Knien und beginne, langsam vor und zurück schaukelnd, zu singen. Die Tropfen, die von den Stalaktiten auf die Stalagmiten träufeln, geben mir den Takt an.
Plüsch.
Schlafe ruhig, schlaf süß.
Plüsch.
Träum dich ins Paradies.
Plüsch.
Laken decken dich sacht.
Plüsch.
Bis du wieder erwachst.
Plüsch.
Ich singe und singe, doch die lange Nacht nimmt kein Ende. Und ich träume auch nicht.
Mir ist so bitterkalt, dass meine Zähne klappernd
Weitere Kostenlose Bücher