2244 - Bürgergarde Terrania
hatten. Das hier war nicht der Tempel der Degression. Er war noch erstaunlich ruhig und gespannt darauf, was sie erwartete.
Sie betraten die Halle und folgten dem Strom der anderen Menschen fast jeden Alters. In manchen Augen flackerte bittere Entschlossenheit, in manchen eher nur Neugier und tiefe Verunsicherung.
Männer mit einem roten Band um denÄrmel wiesen ihnen den Weg. „Es ist ein Spaziergang", flüsterte Schneider Chip zu. Er lachte kurz, es klang hilflos. „Wie ein Spaziergang, Mann! So einfach kann es doch nicht sein!"
„Warte ab", flüsterte Greuther zurück. „Was hast du erwartet? Vermummte Gestalten mit Knarren in den Händen?"
Schneider schüttelte nur den Kopf. Sie gelangten in einen großen Saal, der bequem Platz für zwei-, vielleicht dreihundert Leute bot. Er war fast gefüllt. Vor der dem Eingang gegenüberliegenden Wand war eine Bühne aufgebaut, mit einem Rednerpodest und. einem langen Tisch darauf, hinter dem einige unauffällig wirkende Gestalten saßen.
Die drei Agenten suchten sich einen Platz und warteten. Nach etwa zwanzig Minuten kamen keine Leute mehr in den Saal. Die breite Tür wurde von den Männern mit der roten Armbinde geschlossen.
Sie postierten sich breitbeinig davor. Die Gespräche der Männer und Frauen verstummten. Es dauerte einige Minuten, bis das Licht im Saal gedämpft wurde. Jetzt wurde es ganz still. Chip Greuther zwang sich weiterhin zur Ruhe. Die Frage, die sich ihm in den letzten Stunden immer wieder gestellt hatte, war die, ob sie Marschall Tellon persönlich zu sehen bekommen würden. Er glaubte es zwar nicht, hoffte es aber im Stillen.
Die Bürgergarde Terrania war als subversive, illegale Vereinigung eingestuft worden, aber für ihren Anführer gab es noch keinen Haftbefehl. Die Regierung, das war Greuthers einzige Erklärung für deren Unentschlossenheit und Zurückhaltung, wagte es noch nicht, hart gegen eine Organisation vorzugehen, mit der die Hälfte der Bevölkerung mehr oder weniger offen sympathisierte. Man befürchtete vielleicht einen gewaltigen Aufstand, wenn Versammlungen wie diese hier verhindert oder gesprengt wurden. Residor hatte eine Andeutung in dieser Richtung gemacht, für Greuther nichts anderes als ein Eingeständnis der eigenen Hilflosigkeit.
Dann endlich betrat ein schlanker, hoch gewachsener Mann die Bühne und stellte sich hinter das Rednerpult. Das Licht im Saal wurde noch weiter gedämpft. Scheinwerfer richteten sich auf den Redner, der natürlich nicht Marschall Tellon war. Jener verbarg sich nämlich stets hinter einem Tarnfeld und trug eine Maske, wie es gerüchteweise hieß. Greuther sah sich kurz nach Maggie und Schneider um. Beide blickten gespannt zur Bühne. Schneiders Wangenmuskeln arbeiteten. Greuther wusste, was in ihm vorging.
Der Redner machte es spannend. Er ließ seine Blicke über die Gekommenen schweifen, bevor er endlich begann. Er begrüßte die Leute und dankte für ihr „Interesse". Es klang so harmlos wie der Beginn einer Kaninchenzüchterversammlung. Aber das änderte sich schnell. Der noch junge Redner kam geschickt zum Thema. Er war zweifellos rhetorisch geschult. Seine Worte waren eine sich langsam steigernde Anklage gegen die Kirche Gon-Orbhons und die Selbstmordattentäter. Den ihnen bereits geläufigen Parolen der Bürgergarde folgten bald schärfere Töne. Der Gardist, der sich als „Agemo" vorgestellt hatte, verteidigte die Gewalt gegen die Sekte als einziges Mittel, um der „Pest" Herr zu werden. Er klagte die Regierung wegen ihrer Untätigkeit scharf an und predigte die Selbstjustiz. Er forderte sie!
Immer wieder wurde er von zustimmenden Rufen unterbrochen, aus denen Schreie wurden. Die Stimmung im Saal heizte sich zunehmend auf. Als sie ihren Höhepunkt erreicht hatte, beendete Agemo seine Rede mit dem flammenden Appell an die Männer und Frauen, sich der Bürgergarde Terrania anzuschließen und den Kampf in die eigenen Hände zu nehmen - unter der Führung von Marschall Tellon. Er forderte alle auf, auf die Bühne zu kommen und sich am langen Tisch einzuschreiben. Diejenigen, die dort saßen, würden ihre Fragen beantworten.
Er trat ab. Parolen wurden skandiert. Viele Menschen drängten zur Bühne. Andere gingen zum Ausgang. Greuther sah in fanatische, fast zu Fratzen verzerrte Gesichter - auch bei Terranern, deren Blick vor dem Auftritt des Redners noch voller Sorge und Ungewissheit gewesen waren. Jetzt waren sie anders. Er erschrak über die Verwandlung.
Agemos Auftritt war
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