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2248 - Friedenskämpfer

Titel: 2248 - Friedenskämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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sie in der Versammlung innegehabt hatte. Ihr Blick wanderte durch den zu dieser frühen Morgenstunde leeren Domhof hinüber zu dem imposanten Bauwerk. Eine Samenkapsel, war ihr erster Eindruck gewesen. Eine Frucht von Uralt Trummstam, glaubte sie heute, obwohl sie einen Samen des Baumes noch nicht gesehen hatte. Breiter als hoch ragte der Dom auf, wie ein mit der Spitze nach oben aufgestellter hellbrauner Zapfen. Einander schuppenförmig überlappend, standen breite Mauerscheiben schräg nach außen ab. Lyressea hatte versucht, diese Schuppen zu zählen. Vergeblich, denn nach einer gewissen Zeit schienen sie ineinander zu verlaufen und neue Strukturen zu bilden, als setzten sie sich gegen derart banale Einstufungen zur Wehr. Vielleicht erst wieder, seit das Paragonkreuz die Mauern beseelte.
    Ein Viertel des Domes fehlte. Es war nie errichtet worden, denn in diesem Bereich wuchs Uralt Trummstam.
    Auch hier war die Außenstruktur schuppenförmig und geschwungen, alles andere als ein geradliniger Schnitt.., Die Erbauer schienen niemals beabsichtigt zu haben, dieses Viertel zu vervollständigen, falls der Baum irgendwann abstarb.
    Der Dom Rogan und Uralt Trummstam gehörten zusammen. In ferner Zukunft würde der Baum vielleicht so hoch sein wie der Dom, und dann würden seine Äste und das Laub die Baulücke schließen. Schon heute legte die Struktur der Baumkrone diese Vermutung nahe.
    Lyressea war auf den knorrigen Stamm zugegangen. Die rissige, von tiefen Schrunden durchzogene Borke erinnerte an das Gesicht eines uralten Lebewesens. Was mochte dieser Baum in all den Jahrtausenden gesehen haben, von dem nicht einmal mehr die Geschichtsschreibung wusste?
    Lyressea fragte sich, ob alle Schutzherren gemeinsam in der Lage waren, den mächtigen Stamm zu umfassen.
    Ein absonderlicher Gedanke war das. Sie kniff die Augen zusammen, fuhr sich, mit beiden Händen über den kahlen Schädel und berührte schließlich die dicke Borke. Ihre Finger drangen in die Risse ein, und es war in der Tat, als fühle sie den Pulsschlag eines Lebewesens.
    Ihr Blick huschte weiter, fiel auf die welken Blätter, die im Moos zwischen oberirdischen Wurzelstrünken lagen.
    Sie waren größer als ihre Hand und herbstlich verfärbt. Aber sie lagen wohl schon länger hier, denn ihre Farben waren matt geworden.
    Lyressea bückte sich und wollte einige der Blätter aufraffen. „Nicht!", flüsterte es aus dem Nichts.
    Sie hielt inne. „Bitte!", hallte es. Suchend blickte sie um sich. Ihre schwache telepathische Gabe verriet ihr nicht, dass jemand in der Nähe war.
    Und doch ... Sie richtete sich auf. In dem Moment löste sich keine drei Schritte neben ihr ein Stück Baumrinde und gewann sofort dreidimensionale Gestalt: Das Wesen war humanoid, einigermaßen jedenfalls, und es überragte sie um fast eine Kopflänge. Für einen Augenblick schien das Braun seiner Haut ins Grünliche abzugleiten, als er - Lyressea stufte ihr Gegenüber spontan als männlich ein - die Füße ins Moos setzte. „Du wirst dem Orden das Leben zurückgeben?", hauchte er stockend und kaum lauter als das Rascheln des Windes im Laub. „Mein Name ist Lyressea."
    „Ich habe euch beobachtet", sagte das Wesen langsam. Sein Körper schien wie aus Lehm und Erde modelliert.
    Von jemandem geformt, der sich nicht ganz sicher gewesen war, wie er seine Figur gestalten sollte.
    Lyressea erschrak über ihre eigenen Gedanken. Sie hatte auf Wanderer sehr viel gelernt. Aber das war Theorie gewesen und hatte nicht vermittelt, wie das Leben außerhalb der Scheibenwelt wirklich war und wie es sich anfühlte. „Beobachtet auch ihr." Das Geschöpf seufzte, es klang wie das Knarzen eines uralten Baumes, und vielleicht war es das auch, irgendwie. „Blätter, die Uralt Trummstam verliert, sind die Schmerzen des Baumes und das Leid des Ordens."Der Tonfall wurde ernst und verweisend. „Sie bleiben liegen."
    Der Mann verlagerte das Gewicht von einem Bein auf das andere, wankte, als quäle ihn die Zeit, die er hier vergeudete. Seine Arme bewegten sich fast im Gleichklang mit den Ästen über ihm. Seine weit auseinander stehenden Augen glitzerten wie Kristallstaub. „Sie fürchten jedes Blatt, das vor dem Herbst fällt, und jede Knospe, die verdorrt." Er legte eine bedeutungsvolle Pause ein und legte eine Hand auf den Stamm des großen Baumes. „Sie sind Kinder, tapfer und ängstlich zugleich."
    Seine Konturen verschmolzen allmählich wieder mit dem Stamm. „Warte!", rief Lyressea. „Weshalb?" Das

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